Zuversicht in die Welt tragen | Schaumburger Wochenblatt

02.01.2025 09:47

Zuversicht in die Welt tragen

Ulrich Hinz. (Foto: privat)
Ulrich Hinz. (Foto: privat)
Ulrich Hinz. (Foto: privat)
Ulrich Hinz. (Foto: privat)
Ulrich Hinz. (Foto: privat)

Beim Jahreswechsel richten wir den Blick nach vorne und wissen doch nicht, was uns erwarten wird.

Beim Jahreswechsel richten wir den Blick nach vorne und wissen doch nicht, was uns erwarten wird.

Polarisierungen, Hysterie, Empörung und Resignation nehmen in unsicheren Zeiten und angesichts erschreckender Meldungen zu. „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ – dieses Gedicht des Theologen Dietrich Bonhoeffers wurde in vielen Gottesdiensten an Silvester und Neujahr gesungen. Es gehört zu den bekanntesten und beliebtesten kirchlichen Liedern. Menschen finden beim Lesen und Hören dieser Zeilen Trost. Sie beten und singen es zum Himmel. Häufig wird der Wunsch geäußert, dass dieses Lied angestimmt oder abgespielt werden solle als Ermutigung an hohen Geburtstagen, bei Ehejubiläen oder als Trost bei Beerdigungen.
Dietrich Bonhoeffer dichtete diese Zeilen vor 80 Jahren im Dezember 1944. Vor 65 Jahren wurden die Zeilen zum ersten Mal vertont. Am 9. April 2025 jährt sich Bonhoeffers Todestag zum 80. Mal. Er wurde im Konzentrationslager Flossenbürg in der Oberpfalz hingerichtet.

Weniger bekannt sind die Umstände, in denen Dietrich Bonhoeffer diese Zeilen dichtete. Seit April 1943 saß Bonhoeffer bereits im Untersuchungsgefängnis der Wehrmacht in Tegel. Das Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ verfasste er als Weihnachtsgruß für seine Familie Bonhoeffer im Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamtes in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße. Dorthin wurde er nach dem gescheiterten Stauffenberg-Attentat vom 20. Juli 1944 als Mitwisser verlegt. Das Gedicht steht am Ende des Briefes an seine Verlobte Maria von Wedemeyer. Nachdem Bonhoeffers Verbindungen zu anderen Regimegegnern entdeckt worden waren, wurden die Haftbedingungen für ihn verschärft, Angehörige erhielten keine Besuchserlaubnis mehr, der Gefangene musste mit dem Todesurteil rechnen.
Nur zwei Briefe schafften noch den Weg aus der Haft, darunter das Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Bonhoeffer widmete es seiner Verlobten Maria von Wedemeyer und seiner Mutter zum Jahreswechsel 1944/45.

Dass Bonhoeffer dieses Gedicht in seiner bedrückenden und beängstigenden Situation geschrieben hat, macht mir Hoffnung, dass der Glaube Menschen in größter Not wirklich trösten kann. Deshalb ist es so wertvoll, dass Zeugnisse wie dieses Gedicht erhalten sind.
Seine ganz persönliche Glaubensüberzeugung formulierte Dietrich Bonhoeffer in der letzten Zeile der Schlussstrophe so: „Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Mehr und Größeres lässt sich über den Glauben kaum sagen. Mögen Sie im neuen Jahr ein ähnliches Gottvertrauen haben, wie es Dietrich Bonhoeffer vor 80 Jahren in sich trug. Und uns Christinnen und Christen wünsche ich, dass wir unsere Zuversicht in die Welt tragen und einstimmen können in solches Gottvertrauen: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“


Dirk Sassmann
Dirk Sassmann

DS

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