„Entsetzt euch nicht!“ | Schaumburger Wochenblatt

27.02.2025 16:51

„Entsetzt euch nicht!“

Manuel Stübecke.  (Foto: Maciej Szymula)
Manuel Stübecke. (Foto: Maciej Szymula)
Manuel Stübecke. (Foto: Maciej Szymula)
Manuel Stübecke. (Foto: Maciej Szymula)
Manuel Stübecke. (Foto: Maciej Szymula)

Die Worte „Entsetzt euch nicht!“ bilden die Einleitung in den Monatsspruch für März – aber nicht in diesem Jahr.

Die Worte „Entsetzt euch nicht!“ bilden die Einleitung in den Monatsspruch für März – aber nicht in diesem Jahr.

Der Evangelist Markus führt uns damit in die Passionszeit. Oder besser gesagt: im Monatsspruch ist es bereits Ostern. Wir müssen also gar nicht erst auf den Ostersonntag (20. April) warten. „Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“ (Markus 16,6) Worte eines Engels. Gerichtet sind diese Worte, so der Evangelist, an Maria aus Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, sowie an Salome.

Sie kommen, um den Leichnam des gekreuzigten Jesus mit wohlriechenden Ölen zu salben. Erschreckt euch nicht. Da klingt bei mir die klinische Seelsorge-Ausbildung an. In Rollenspielen übten wir, wie wir die Patientinnen und Patienten auf den Krankenzimmern begrüßen dürfen. Ein Kollege wählte diesen Weg: „Erschrecken Sie sich nicht! Ich bin es, der Seelsorger.“ Die Begrüßung stieß in der Feedback-Runde auf kein Wohlwollen. Na klar. Lesen wir bei Markus weiter.

Im achten Vers wird uns berichtet, dass die Frauen vom Grab flohen. Aber warum? „Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt“, schreibt Markus. Auch berichtet er uns, dass sie niemandem etwas sagten, da sie sich fürchteten. Sicherlich sind hier zwei Ebenen. Einerseits das Ereignis als solches. Unlängst haben sie doch am Kreuz Jesus sterben sehen. Und bei seiner Grablegung wurde ein schwerer Stein vor den Eingang geschoben. Auch der Evangelist stellt fest, dass der Stein „sehr groß“ war. Im Grab dann das Unerwartete: ein Engel, der ihnen sagt, Jesus ist auferstanden.

Andererseits der Schrecken mit Ansage – so könnte man sagen. Die Gesprächseröffnung, sie sollen sich nicht erschrecken, nimmt schon ein Gefühl vorweg. Ein Gefühl, das sich in den Frauen Bahn bricht, sodass sie fliehen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts dachte der Theologe Rudolf Otto (1869–1937) über „Das Heilige“ nach. Sein gleichnamiges Hauptwerk erschien 1917. Darin dachte er über zwei Begriffe nach und brachte sie in den Diskurs ein: mysterium tremendum und mysterium fascinans. Erstgenannter Begriff meint das Geheimnis, das Furcht auslöst. Zweitgenanntes ist das Geheimnis, welches (religiöses) Entzücken verursacht. Für Otto war das Heilige oder das Göttliche gleichermaßen faszinierend und auch angsteinflößend.

Das, was Gott schafft, seine unvorstellbare Macht, löst Angst aus. Wiederum das ist anziehend. In unserer Sprache haben wir dafür einen besonderen Begriff, der mir passend scheint: Ehrfurcht. Eingangs schrieb ich, die Worte des Markus sind Monatsspruch im März, aber nicht in diesem Jahr. Tatsächlich hatte ich eine Tabelle für das vergangene Jahr (2024) in der Hand und hatte begonnen, darüber nachzudenken, warum schon der Spruch für den März auf Ostern hinweist – erst dann sah ich das verkehrte Jahr. Doch diese Erinnerung an die Ehrfurcht vor dem Heiligen kann uns auch Mahnung sein, die Tragweite der Passion noch einmal auf uns wirken zu lassen – in jedem Jahr.


Dirk Sassmann
Dirk Sassmann

DS

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