Diskussion über Leerstände in der Innenstadt | Schaumburger Wochenblatt

Diskussion über Leerstände in der Innenstadt

Ehemals Weltbild: Ein Leerstand in der Fußgängerzone. (Foto: gi)
Ehemals Weltbild: Ein Leerstand in der Fußgängerzone. (Foto: gi)
Ehemals Weltbild: Ein Leerstand in der Fußgängerzone. (Foto: gi)
Ehemals Weltbild: Ein Leerstand in der Fußgängerzone. (Foto: gi)
Ehemals Weltbild: Ein Leerstand in der Fußgängerzone. (Foto: gi)

Für die Wunstorfer sind leerstehende Ladenflächen in der Innenstadt ein ungewohnter Anblick, noch vor wenigen Jahren sind so gut wie jede Arztpraxis oder Bürofläche vermietet gewesen, so steht es in einer Pressemitteilung der Wunstorfer Werbegemeinschaft. Versperrte Ladenflächen oder zugeklebte Schaufensterscheiben waren nur aus kleineren Städten bekannt. Bekannt sei jedoch eine lebendige Innenstadt mit einem florierenden Handel gewesen mit einer hohen Nachfrage an Ladenflächen. Die Stadt ist bei vielen immer als Vorzeigeobjekt präsentiert worden, heißt es weiter. Das sei auf die erfolgreiche Arbeit vergangener Jahrzehnte zurückzuführen. Doch reiche es nicht aus, sich auf die Erfolge der Vergangenheit auszuruhen.

Obwohl die Stadt noch relativ gut dastehe, sei die Entwicklung alarmierend. Die Werbegemeinschaft bestreitet nicht, dass es für den stationären Handel in den Innenstädten schwieriger geworden ist, sinkende Umsatzzahlen im Einzelhandel seien ein Problem für ganz Deutschland. Verändert wurde das Einkaufsverhalten auch durch Corona, der Online-Handel wurde verstärkt. Doch sollte die Bedeutung des Onlinehandels nicht überbewertet werden, steht in der E-Mail der Werbegemeinschaft. Vielmehr könne kein Online-Handel eine kompetente persönliche Beratung ersetzen. Die Händler setzen auch künftig auf ein großes Bedürfnis der Kunden, persönlich bedient zu werden. Als das größte Hindernis wird für die Besucher der Innenstadt die Erreichbarkeit angesehen. Die Stadt sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht befriedigend angebunden, für Kunden aus dem Umland sei das Auto immer noch das Verkehrsmittel die erste Wahl. Und ohne diese Kunden sei kein ausreichender Umsatz zu erzielen. Das Auto dürfe aus der Innenstadt nicht verbannt werden, die Konsequenz wäre, dass der Einzelhandel nicht mehr rentabel arbeiten könne, betont die Werbegemeinschaft.

Gäbe es keine Gewinne, würden keine neuen Läden mehr eröffnet und die Vermieter bleiben auf ihren leeren Flächen sitzen und würden nicht in die Gebäude investieren. Die Werbegemeinschaft wünscht sich, dass die Politik die Zusammenhänge erkennt und Rahmenbedingungen schaffe, in denen sich ein lebendiges und vitales Unternehmertum entfalten könne. Zum Handeln sei es höchste Zeit.

Große Chancen durch ISEK: Wirtschaftsförderer Jan Cord Ziegenhagen im Stadtanzeiger-Gespräch

Die Werbegemeinschaft (WGW) hat Wünsche an die Politik gerichtet, attraktive Rahmenbedingungen für die Ansiedlung neuer Händler in der Innenstadt zu schaffen. Derzeit gibt es einen erheblichen Leerstand, den die Stadt bisher nicht kannte. Auch fehlende Parkplätze in der Innenstadt sind für die Werbegemeinschaft ein Thema. Wir haben mit Wirtschaftsförderer Jan Cord Ziegenhagen gesprochen, wie er die Situation in der Innenstadt einschätzt.

(gi): Herr Ziegenhagen, Sie haben die Pressemitteilung der Werbegemeinschaft gelesen, können Sie die Wünsche erfüllen?

Ziegenhagen: Im Großen und Ganzen gibt es in Wunstorf bereits attraktive Rahmenbedingungen, das zeigen die Gespräche mit Gründungsinteressierten und Filialisten sowie die jüngsten Geschäftseröffnungen in der Innenstadt. Die Wünsche der WGW betreffend die Parkplatzsituation sind nicht neu. Ich gehe davon aus, dass die WGW ihre Position in den in Kürze startenden ISEK-Prozess (Innenstadtsanierung) zur Umgestaltung der Innenstadt einbringen wird. Dass Immobilien aber mal länger als früher auf den nächsten Mieter warten, ist ein bundesweiter Trend, der verschiedene Ursachen hat. Selbst die Landeshauptstadt ist betroffen. Davon kann sich auch Wunstorf nicht freimachen, wir schlagen uns aber im Standortvergleich sehr gut. Was die Leerstände angeht, so sind Wirtschaftsförderung und Citymanagement informiert, wir tauschen uns ja auch mit allen Akteuren aus, insbesondere mit den Immobilieneigentümern, den Gewerbetreibenden und der WGW.

(gi): Wie geht es unserer Innenstadt mit Leerständen im Vergleich zu anderen Städten gleicher Größe?

Ziegenhagen: Wie bereits gesagt, halten wir uns insgesamt sehr gut. Der anstehende ISEK-Beteiligungsprozess gibt uns darüber hinaus die große Chance, die Innenstadt neu auszurichten auf die neuen Trends. Diese Gelegenheit bietet sich nicht vielen Kommunen. Es gilt aber natürlich auch in Zukunft immer wachsam zu sein, wenn es um unsere Innenstadt geht. Sie ist das Herz unserer Stadt.

(gi): Wie viele Leerstände gibt es in der Stadt, ist Innen bekannt, welche noch dazukommen?

Ziegenhagen: Wir haben aktuell 14 Ladenlokale in der Wunstorfer Innenstadt, die leer stehen oder übergangsweise genutzt werden. Davon sind drei Läden in einer Zwischennutzung, der Neubau ist geplant. In weiteren drei Ladenlokalen davon wird bereits umgebaut, fünf sind recht neu auf dem Markt. Nur drei Geschäfte kann man als längeren Leerstand bezeichnen. Manchmal hängt die Dauer auch mit der Größe der jeweiligen Immobilie zusammen. Zwischen 140 und 800 Quadratmeter gibt es aktuell deutlich weniger Anfragen, weil sich die Ansprüche des Handels geändert haben. Aber jedes Lokal findet seinen Mieter, manchmal dauert es nur etwas länger. Über mögliche Leerstände in der Zukunft kann und will ich mich nicht äußern. Das wäre ein Blick in die Glaskugel. Und nichts ist so schnell veraltet, wie solch eine Momentaufnahme.

(gi): Hat es in den letzten Monaten Neueröffnungen gegeben, wenn ja, welche waren das?

Ziegenhagen: „Naturgenuss“ Einzelhandel, Restaurant „Angelo“ Gastronomie und District-D Photography Dienstleistung.

(gi): Gibt es Firmen, die einen Standort in der Innenstadt suchen?

Ziegenhagen: Sowohl Startups als auch Filialisten haben ein Interesse an der Wunstorfer Innenstadt. Das wissen wir aus unserer täglichen Arbeit. Wir nutzen als Wirtschaftsförderung auch jede Gelegenheit, um auf unseren Standort aufmerksam zu machen. Zu diesem Zweck führen wir Gründungsberatungen und Gründungsabende mit Akteuren aus unserem Partnernetzwerk durch. Wir gehen auch in die Kaltakquise, sprechen Filialisten aus den einschlägigen Bereichen wie Handel und Gastronomie auf unseren Standort an und informieren über die Standorteigenschaften.

(gi): Die Werbegemeinschaft spricht von fehlenden Parkplätzen in der Innenstadt. Gibt es die und können Sie sich ein digitales Parkleitsystem vorstellen?

Ziegenhagen: Ob es einen Mangel gibt oder nicht wird von den Akteuren durchaus unterschiedlich gesehen. Der Beteiligungsprozess (ISEK) kann dazu genutzt werden, diese Positionen noch einmal abzugleichen und zu diskutieren. Ihre Idee eines digitalen Parkleitsystems kann dort ebenfalls eingebracht werden. Solch eine Einrichtung ist meines Wissens nach aber stets mit sehr hohen Kosten und größeren Umbaumaßnahmen der Parkplätze verbunden.

(gi): Wie sieht es mit einem Konzept für das Parken in der von der Stadt erworbenen Parkgarage der Stadtsparkasse aus?

Ziegenhagen: Die Stadt beabsichtigt die Tiefgarage der Stadtsparkasse zu kaufen, der Rat hat dem Ansinnen auch schon zugestimmt. Aktuell gibt es verschiedene Überlegungen, wie die Tiefgarage zukünftig am besten genutzt werden kann. Konkreter wird es aber erst nach dem Kauf.

(gi): Was halten Sie davon, die Innenstadt durch kleine themengeführte Märkte attraktiver zu machen? Das könnten auch wechselnde Standorte in der gesamten Innenstadt sein.

Ziegenhagen: Es macht immer Sinn, jede Möglichkeit zu prüfen. Das tut das Citymanagement bereits. Wichtig ist jedoch, dass man auch die Akteure hat, die diese Aktivitäten organisieren und durchführen. An diesem Punkt wird es, wie in allen anderen Kommunen, schwieriger. Es gibt deutlich weniger Akteure, die das in die Hand nehmen.

(gi): Haben Sie einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit der Werbegemeinschaft?

Ziegenhagen: City-Managerin Tanja Berg und ich nehmen an den Vorstandssitzungen der Werbegemeinschaft teil und tauschen uns auch abseits der Regeltermine aktiv mit dem Vorstand aus. Es gibt sofort einen telefonischen Austausch, wenn die Situation es erfordert. So, wie es auch sein soll.

Leserbrief des ehemaligen Wirtschaftsförderers Uwe Schwamm

Ein Wunstorfer Onlinemagazin recherchiert mit wenig Hintergrundwissen über Leerstände in der Wunstorfer Innenstadt. Das ermuntert den Vorsitzenden der Werbegemeinschaft dazu, eine entsprechende Pressemitteilung zu verbreiten und den Ortsrat bzw. die Politik öffentlich zum Handeln aufzufordern - es sei höchste Zeit.
Absolut zutreffend ist, dass es für den stationären Handel deutlich schwieriger geworden ist und dass sich ALLE um unsere (noch) schöne Innenstadt kümmern müssen! Über die Wege und Maßnahmen darf man dabei auch kontrovers und langandauernd streiten!
Zwei Fragen bleiben aber bei dem Statement des Vereins mit dem Kurzfazit „Parkplätze”: Erstens: was konkret unternimmt die Werbegemeinschaft selber gegen Leerstand? Zumal einige der betroffenen Immobilien im Eigentum von langjährigen Mitgliedern stehen? Maifest und Weihnachtsmarkt u. Ä. sind zwar schöne Veranstaltungen; beleben aber keine Leerstände mit unangemessenen Mietforderungen...
Zweitens und viel gravierender: wann kommt bei der Werbegemeinschaft die Erkenntnis, dass ständiges öffentliches Herausposaunen von echten oder gefühlten Problemen der Innenstadt nicht hilft? Im Gegenteil: diese andauernde „Negativ-Werbung” und „Standort-Schlechtmachung” hilft nur Anderen: anderen Einkaufsorten und dem Onlinehandel. Es wäre zu wünschen, dass dieses von der „Interessenvertretung des Innenstadthandels” erkannt wird.

Kommentar: Innenstädte als „Konsumtempel“ sind leider vorbei

Ich gehöre zu einer Genration, in der unsere Innenstadt einzig dem Konsum diente, es gab fast alles zu kaufen. Und die meisten Geschäfte waren Inhabergeführt. Langsam wandelte es sich, es siedelten sich erste Ketten an und in den Randgebieten unserer Stadt und in der Nachbarschaft entstanden Einkaufszentren. Ja, und dann kam mit geballter Kraft das Einkaufserlebnis im Internet vom Sofa aus. Die Zentren in den Städten verkümmern nach und nach, sie funktionieren leider nicht mehr. Selbst in den besten Lagen der größten Metropolen ist das so. Die Vielfalt ist längst verschwunden. Lange Zeit war die Funktion des Einzelhandels auch in unserer Innenstadt unbestritten. Dieser Konsum könnte sich bald überlebt haben. Die Älteren gehen wohl noch gerne shoppen, doch Kinder und Enkelkinder tun das immer häufiger im Internet. Es geht ja auch so einfach: Produkt anklicken, meistens am nächsten Tag steht ein Sprinter mit der Ware vor der Tür. Und aus dem Haus muss niemand gehen.

Wunstorf wirbt zu Recht mit der schönsten Innenstadt der Region. Die Chance ist da, dass es so auch bleibt, wenn sich etwas verändert. Das könnte vielleicht so aussehen: belebte Erdgeschosse zum Kommen, Gehen und Bleiben, mehr Vielfalt durch Räume für Kunst und Kultur, Gesundheit und Bildung, Themen bezogene Märkte sowie soziale Aktionen. Also Dinge, bei denen es nicht ausschließlich um Konsum geht. Gefragt sind in besonderem Maße der Wirtschaftsförderer, die Verwaltung und die Politik. Natürlich hat auch die Werbegemeinschaft ihre Vorstellungen mit einzubringen. Es muss nicht gleich ein Neubau oder Erweiterungsbau entstehen, wenn Räume zum Beispiel einer Kita nicht mehr ausreichen, die Hauseigentümer in der Innenstadt werden sich über eine Vermietung sicher freuen.

Einige Worte zu den Parkplätzen. Dass welche in der Innenstadt fehlen, sehe ich nicht. Es kommen ja noch welche dazu. Die Stadt wird ein Konzept erarbeiten müssen, wie die Parkgarage (der Kauf ist noch nicht erfolgt) der Stadtsparkasse von der Öffentlichkeit genutzt werden kann. Ich hoffe, dass auch die Werbegemeinschaft ihre Wünsche einbringt. Natürlich fehlen bei großen Veranstaltungen (zum Beispiel Maifest, Matjesfest, verkaufsoffene Sonntage) Parkplätze in der Innenstadt. Die Stadt ist dabei, den Schützenplatz für das Parken aufzuwerten. Über vier kenntlich gemachte Fußwege ist die Innenstadt in wenigen Minuten zu erreichen. Und außerdem gehe ich fest davon aus, dass es in wenigen Jahren auch in Wunstorf ein kleines selbstfahrendes Fahrzeug gibt, mit dem Kunden vom Schützenplatz in die Innenstadt gebracht werden. Dann vielleicht auch direkt vor das gewünschte Geschäft.


Hans-Heiner Giebel (gi)
Hans-Heiner Giebel (gi)

Freier Journalist

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