Kolumne: Was ist eigentlich mit Trinkgeld? | Schaumburger Wochenblatt

27.02.2025 09:53

Kolumne: Was ist eigentlich mit Trinkgeld?

Kürzlich war ich für einen Auftrag meines derzeitigen Brötchengebers bereits recht früh morgens im Landkreis unterwegs. So richtig Lust, mir ein vorher ein vernünftiges Frühstück zu bereiten, hatte ich nicht, obwohl das mittlerweile zu meinem bevorzugten Tagesablauf gehört. Da neben mir auch mein Auto nach Futter verlangte, kehrte ich bei einer der gut sortierten Tankstellen ein.

Üblicherweise bezahle ich das Tanken mit Kreditkarte – neuerdings, nach einer ausführlichen Beratung durch unseren Sohn und seine Lebensgefährtin, auch über eine Wallet im Handy. Ich bin eben noch ein wenig „Old School“. Irgendwie war ich noch nicht ganz bei der Sache und bezahlte das Tanken, ohne an mein eigenes Frühstück zu denken. Also Cappuccino und ein gut belegtes Brötchen nachgeordert. Das bezahlte ich dann mit Bargeld! Die Summe rundete ich um die Cent bis zur nächsten Eurosumme auf. Mit einem freundlichen Lächeln legte die Bedienung das Geld in einen Becher. Neugierig wie ich nun mal bin, fragte ich sie nach dem Trinkgeldverhalten ihrer Kunden. Ihre offene und glaubwürdige Antwort hatte ich nicht erwartet. In den vier Stunden ihrer Arbeitszeit käme sie meistens auf ein oder zwei Euro und auch nur, wenn die Kunden den Barbetrag aufrunden würden. Kartenzahlung sei beim Tanken mittlerweile Standard und da gäbe es eben kein Trinkgeld. Das Thema Trinkgeld ließ mich die nächsten Tage nicht los. Ende Januar weilte ich für eine Woche Aktivurlaub in Ägypten. Trinkgeld geben gehörte da schon fast zu einem Automatismus. Ich versorge mich vorher schon immer mit einem Bündel Ein-Dollar-Noten, da die Einheimischen mit Ein-Euro-Münzen wenig anfangen können. Bei dem Einkommen, beispielsweise des Teams in der Tauchbasis, deren Freundlichkeit, Engagement und Hilfsbereitschaft, war mir das Trinkgeld ein Muss. Jetzt bin ich wieder zu Hause und denke über das Thema in heimischen Gefilden nach.

Abteilung Thekenwissen

Für die Abteilung Thekenwissen: Trinkgeld ist einer Person zuzuordnen und dann seit 2002 steuerfrei. Der Chef darf das Geld nicht einbehalten. Trinkgelder in einen Tip-Pool für das Personal sind nicht steuerfrei. Auch bei Kreditkartenzahlung kann man ein Trinkgeld gesondert ausweisen. In Deutschland ist das Tip meistens üblich, wenn man mit dem Service zufrieden war, eine Verpflichtung gibt es jedoch nicht. Interessant ist die Tip-Regelung in den USA. Der Mindestlohn beträgt dort 2,13 Dollar für Berufe mit Trinkgeld, sonst 7,25 Dollar. Ein Trinkgeld von mindestens 20 Prozent wird nicht nur erwartet, sondern ist tatsächlich Bestandteil des Einkommens. Ganz anders in China, Japan und Südkorea. Hier wird es gar als Beleidigung aufgefasst wenn ein Trinkgeld gezahlt wird. „Trinckgeld, Trankgeld und Trunkgeld“ gab es bereits im 14. Jahrhundert. „Man möge es auf sein Wohl vertrinken“. 1788 empfahl der „Benimm-Papst“ Knigge:„ … dem Wagenmeister ein gutes Trinkgeld geben…“.

Im 16. Jahrhundert erhielten Beamte ein geringes Gehalt und waren auf Trinkgeld angewiesen. Das mit dem geringen Gehalt überlasse ich der Bewertung meiner geschätzten Leserschaft – aber bieten Sie heute einmal einem Behördenmitarbeiter ein Trinkgeld nach getaner Arbeit an – eine Strafanzeige wegen versuchter Bestechung (§ 334 StGB) ist Ihnen fast schon sicher! Zurück zum Alltag. Ich bin sicher, dass es den Servicekräften in unserem Lande nicht so schlecht geht wie den Menschen in Ägypten und ein Mindestlohn von vermutlich bald 15 Euro liegt auch erheblich über dem USA-Durchschnitt. Trotzdem werde ich auch zukünftig Trinkgeld geben – egal, ob es nur durch das Aufrunden geschieht oder ich damit einen tollen Service belohne. Das mit der Kreditkarte ist mir allerdings noch nicht so ganz geheuer. Da gehöre ich zu den 69 Prozent derjenigen, die noch kein Trinkgeld bei Kartenzahlung eintragen. Circa 50 Prozent geben das Tip in bar. Da muss ich mich wohl langsam heranarbeiten oder ich bleibe einfach „Old School“!

Ihr Axel Bergmann


Axel Bergmann
Axel Bergmann

Freier Mitarbeiter

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