Am Montag hat Bundeskanzler Olaf Scholz im Parlament die Vertrauensfrage gestellt und wie erwartet verloren. Scholz schlug daraufhin dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier vor, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Stimmt das Staatsoberhaupt dem Vorschlag zu, könnten die Neuwahlen wie geplant am 23. Februar stattfinden. Die Parteien haben ihre Kandidatenaufstellungen inzwischen weitgehend abgeschlossen. Damit ist auch klar: aus Wunstorf bewerben sich gleich drei Kandidaten um ein Bundestagsmandat. Die haben allerdings nur geringe Erfolgsaussichten.
Denn sie gehören kleineren Parteien an. Jelger Tosch (FDP) aus Großenheidorn und Volker Napp (die Linke) aus der Kernstadt treten als Direktkandidaten im Wahlkreis 43 - Hannover-Land I an, zu dem auch Wunstorf gehört. Die Steinhuderin Kerstin Obladen will für die Freien Wähler in den Bundestag einziehen. Das versucht sie allerdings nicht als Direktkandidatin, sondern auf Platz 3 der Landesliste ihrer Partei.
Obladen wurde erstmalig 2021 in den Ortsrat Steinhude und den Rat der Stadt Wunstorf gewählt. Damals kandidierte sie für die FDP und holte auf Anhieb ein Mandat. 2023 kam es zum Bruch. Ihr Mandat behielt sie zunächst als Parteilose bevor sie sich der Partei „Freie Wähler“ anschloss. Nun strebt sie in den Bundestag. Auf dem Landesparteitag der „Freien Wähler“ am 30. November fand ihre Bewerbung so viel Zustimmung, dass sie auf Platz drei der Landesliste gewählt wurde. Das war aber nicht die einzige Neuigkeit, die Obladen im Gespräch mit dieser Zeitung verkündete. Sie wurde auch zur Vorsitzenden der frisch gegründeten Landesarbeitsgemeinschaft Frauen in Niedersachsen der „Freien Wähler“ gewählt. Aufgaben, auf die sie sich freut und für die sie noch Unterstützung benötigt. Folglich will sie einen Ortsverband der „Freien Wähler“ in Wunstorf gründen. Ihre Themen sind Stärkung des ländlichen Raumes, mehr Chancengleichheit im Bildungssystem, hochwertige medizinische Versorgung sowie Unterstützung für Bürger, Landwirte und Mittelstand. „Wir wollen eine Politik gestalten, die transparent, ehrlich und bürgernah ist“, so Obladen. Sie ist seit 1996 als erfolgreiche Unternehmerin in der Immobilienwirtschaft und seit 2020 auch freiberuflich als Rechtliche Betreuerin für verschiedene Amtsgerichtsbezirke tätig.
Jelger Tosch kandidiert ebenfalls für den Bundestag. In einer Kampfabstimmung in Isernhagen setzte sich der 24 Jahre alte Großenheidorner gegen ein Parteimitglied aus Langenhagen durch. In seiner Bewerbungsrede ging es dem Bundestagskandidaten der FDP vor allem um die drängenden Themen für junge Menschen. Er äußerte sich aber auch zum kürzlich von der Parteizentrale veröffentlichten ‚D-Day-Papier‘, in dem Szenarien zum Ampel-Aus dargelegt wurden: „Nach einer solchen Veröffentlichung muss man einmal klar sagen, dass dieses Papier, seine Wortwahl und der Umgang damit für eine liberale Partei unerträglich sind. Deshalb ist es gut, dass der Generalsekretär nun persönliche Konsequenzen gezogen hat. Es muss jetzt ein glaubwürdiger inhaltlicher Ruck durch die Partei gehen. Der gleiche Ruck übrigens, den wir von der Politik immer einfordern“, sagte Tosch. Der 24-Jährige ist seit 2021 Mitglied des Ortsrates Großenheidorn und stellvertretender Ortsbürgermeister. Er ist auch stellvertretender Vorsitzender der Jungen Liberalen - der Jugendorganisation der FDP.
Die Partei die Linke hat auf ihrem Kreisparteitag ebenfalls eine Entscheidung getroffen. Demnach wird Volker Napp, Rentner und Sprecher der Basisorganisation Neustadt-Wunstorf der Linken Region Hannover, als Direktkandidat antreten. Napp wurde einstimmig gewählt, einen Gegenkandidaten gab es nicht. Der Wunstorfer hatte sich bei einer Mitgliederversammlung der Basisorganisation am 30. November in Neustadt spontan bereiterklärt, die Kandidatur im Wahlkreis für seine Partei zu übernehmen. Ihm sind drei Punkte wichtig, sagte er dem Stadtanzeiger auf Nachfrage. Erstens: Soziale Gerechtigkeit. Er und seine Partei fordern unter anderem die Wiedereinführung der seit 1997 ausgesetzten Vermögenssteuer. Zweitens: Gerechter Klimaschutz. Dazu zählt er die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs und die Einführung einer Kerosinsteuer auf Privatflüge. Drittens: Innerer und äußerer Frieden. Kriege müssen endlich beendet und die Spaltung der Gesellschaft überwunden werden.
Mit der gescheiterten Vertrauensfrage im Bundestag und der Aufstellung der Kandidaten beginnt nun der kurze Wahlkampf. Um das Direktmandat im Wahlkreis Hannover Land I bewerben sich außerdem Rebecca Schamber aus Neustadt (SPD) und Hendrik Hoppenstedt aus Burgwedel (CDU) sowie Jessica Peine aus Garbsen (Bündnis90/Die Grünen) und Dirk Brandes aus Langenhagen (AfD). Nach der Wahlrechtsreform der Ampel-Regierung wird das nächste Parlament (21. Wahlperiode) mit maximal 630 Sitzen auf jeden Fall weniger Abgeordnete haben als bislang (733).
Text: tau/wb/gi