Die Kommunen in Niedersachsen geraten immer mehr in eine hohe Verschuldung, die sie zum größten Teil nicht selbst zu verantworten haben. Die Ursachen stecken vielmehr hinter den Entscheidungen von Bund und Land, hob Wunstorfs Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD) in der Vorstellung des Wunstorfer Haushalts 2025 vor dem Rat hervor.
Beide – Bund und Land – legten immer wieder neue Aufgaben für die Städte fest, „aber ohne eine entsprechend geregelte Durchfinanzierung“. Das heißt: Die Bundesregierung in Berlin und die amtierende Landeregierung in Hannover verpflichten die Kommunen zu Leistungen, ohne den nötigen finanziellen Ausgleich zu schaffen. Das Land leitet zudem Bundesmittel, die es erhalte, nicht komplett an die Städte und Gemeinden weiter. Hierzu gehören vor allem die Kosten für die Kinderbetreuung, die Wohngeldreform, der Brandschutz, die Unterbringung und Integration von Geflüchteten, in Zukunft auch die Ganztagsschulen. Darüber hinaus werden Umsetzungszeiträume gestaltet, die offenbar ohne Gespür für die kommunale Praxis festgelegt werden, so Piellusch.
Was Piellusch hierbei beschreibt, gilt nicht nur für die Stadt Wunstorf deutlich, sondern für alle Städte und Gemeinden in Niedersachsen. Von Jahr zu Jahr verschärft sich dieses finanzielle Problem. Wenn die Niedersächsische Landesregierung aus SPD und GRÜNE so handelt, was setzt die Opposition im Landtag dem entgegen, wollte der Wunstorfer Stadtanzeiger vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Sebastian Lechner wissen, denn:
Die Kommunen fühlen sich wie Bittsteller für das, was ihnen eigentlich selbstverständlich zusteht. Können Sie das als Landtagsabgeordneter, aber auch als Mitglied des Stadtrats in Neustadt nachvollziehen, Herr Lechner?
Lechner: Das kann ich total nachvollziehen. Ich fürchte, wenn wir diesen Knoten richtig durchschlagen wollen – und das wollen wir – werden wir auch hier zu einer Föderalismuskommission kommen müssen. Das heißt, dass wir auch die Aufgaben und vor allem die Finanzierung grundlegend neu ordnen – und zwar von Bund, Land und den Kommunen. Denn in den Vergangenen Jahren war es so, dass viele neue Aufgaben entstanden sind. Die sind dann vom Bund zum Land, vom Land zu den Kommunen dirigiert worden. Aber die Finanzmöglichkeiten, auch die Finanzausstattung ist nicht mitgeflossen. Mittlerweile haben wir auch eine Tendenz zu einem Zentralstaat. Der Bund sagt, ihr bekommt das Geld, aber nur wenn wir vorschreiben können, was ihr damit macht. Und das verfestigt mittlerweile Strukturen, schafft Inflexibilität. Deshalb brauchen wir eine Föderalismuskommission, damit wir das neu ordnen. Und dabei wird die Finanzausstattung der Kommunen eine ganz besondere Rolle spielen, spielen müssen.
Heißt das, dass es der Opposition im Niedersächsischen Landtag ohne Beschlüsse einer Föderalismuskommission nicht möglich ist dafür zu sorgen, dass die Gelder, die eigentlich den Kommunen zustehen, auch bei ihnen ankommen?
Lechner: Wir machen dazu immer wieder Vorschläge. So auch im neuen Haushalt. Vielleicht wäre es eine kluge Idee, zum Beispiel auch im Bereich der Steuerverbundquote, direkt Gelder den Kommunen zu geben, damit sie diese Gelder auch haben, um eigenständig zu entscheiden. Nach zwei Jahren macht die Landesregierung jetzt Werbung für diesen Weg. Jedenfalls macht sie die ersten Ansätze dazu. Daran sieht man schon, dass wir versuchen, die Landesregierung überall etwas in die richtige Richtung anzuschieben. Es gilt aber auch, dass die Landesregierung 3,5 Milliarden Euro Rücklagen hat. Aber sie verfrühstückt diese Rücklage pünktlich bis 2027 auf null (2027 ist die nächste Landtagswahl; Anm. d. Red.). Wobei sie den Aufbau von vielen Politikinstrumenten, vor allem auch den Aufbau der öffentlichen Verwaltung in Niedersachsen, damit finanzieren wollen.
Wie sieht ihr Rat an die Kommunen aus?
Lechner: Druck auf die Landesregierung machen. Aus unserer Sicht gibt es Spielraum im Landeshaushalt. Es gibt Möglichkeiten, das anders zu finanzieren, anders zu strukturieren. Aber die Landesregierung will das nicht. Und insofern werden wir jetzt auch als Opposition – zusammen mit den Kommunen – Druck in Richtung Landesregierung machen, hier doch noch einmal ein Zeichen zu setzen.
Also gibt es keine klare rechtliche Grundlage, auf die sich die Kommunen bei diesen Finanzierungsfragen berufen können? Das Geld kann nicht rechtlich eingefordert werden?
Lechner: Normalerweise können wir keine Aufgaben an die Kommunen delegieren, ohne die entsprechende Finanzausstattung mitzugeben. Das wird aber immer oft verhandelt. Und da gibt es immer Rechtstreitigkeiten. Insofern ist das auch immer wieder sehr viel Auslegungssache. Ob es ein klares Recht gibt, ist umstritten. Aber es gibt eine Verantwortung und eine Verpflichtung des Landes, dafür zu sorgen, dass es schlagkräftige Kommunen gibt.