Der Ulmenstamm | Schaumburger Wochenblatt

14.11.2024 16:08

Der Ulmenstamm

Sabine Kalkmann. (Foto: privat)
Sabine Kalkmann. (Foto: privat)
Sabine Kalkmann. (Foto: privat)
Sabine Kalkmann. (Foto: privat)
Sabine Kalkmann. (Foto: privat)

„Wir sägten Holz, griffen dabei nach einem Ulmenbalken und hielten plötzlich inne: seit im vorigen Jahr der Stamm gefällt wurde, mit dem Traktor geschleppt und in Teile zersägt worden war, zu Stapeln gerollt und auf die Erde geworfen wurde – hatte sich der Ulmenbalken nicht ergeben.
Er hatte einen frischen grünen Trieb hervorgebracht – eine neue Ulme. Wir hatten den Stamm bereits auf den Block gelegt, doch wagten wir nicht, mit der Axt in seinen Hals zu schneiden. Wie hätten wir das tun können? Wie sehr er doch leben will – stärker als wir!“ (aus: W. Hoffsümmer, Kurzgeschichten, Grünewaldverlag).

Diese kleine Geschichte hat mich schon länger inspiriert. Wie oft frage ich mich oder werde gefragt: wie kommt das Leid und das Böse in die Welt? Gerade in diesem Monat gedenken wir der Gefallenen, der Opfer von Gewalt und Terror, von Unrecht und Grausamkeiten. Wir erleben eine Welt, die immer mehr von Autokraten, Egozentrikern, Aggressoren, Kriegstreibern übernommen zu werden scheint. Die Anstrengungen gegen die Klimakrise scheinen dadurch immer mehr in Vergessenheit zu geraten… die Liste ist lang, die von „Zersägen“ spricht.
Wie kommt Leid und Böses in die Welt? Eine berechtigte Frage – und kaum bis gar nicht aufzulösen. In aller Kälte, Grausamkeit, Verlorenheit bringt mich die kleine Geschichte auf einen neuen Blickwinkel: warum gibt es trotzdem noch Hoffnung? Warum gibt es das Gute und Schöne, das Liebevolle und Selbstlose? Und Menschen, die das auch leben. Wir können uns fragen, warum trotz allem die Hoffnung bis jetzt nicht erloschen ist. Das Gute bleibt, die Hoffnung stirbt nicht, der „grüne Trieb“ wächst und sagt uns: seid mit Herzblut dabei, seid nicht eng, grabt eure Talente nicht ein. Wir dürfen HoffnungsträgerInnen sein oder werden! Vielleicht in kleinen Schritten und scheinbar ohne große Wirkung – doch: der Ulmenstamm macht es uns vor. Vielleicht ein kleines Zeichen, ein kleines Licht, eine Stimme die sich gegen Ungerechtigkeit erhebt, ein Gang zur Wahl(urne) gegen Hetze und Ausgrenzung. Die Möglichkeiten sind vielfältig! Bleiben wir in der Gewissheit trotz mancher Mutlosigkeit, dass der Gott des Lebens, der Hoffnung, der Liebe uns darin nie allein lässt, uns trägt und hält. Das wünsche ich Ihnen und uns.
(mit Gedanken von M. Micheel, Gottes Wort f. jeden Tag).


Dirk Sassmann
Dirk Sassmann

DS

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