Sie soll bald kommen, die Bezahlkarte für Flüchtlinge. Einige Kommunen sind mit eigenen Modellen schon vorangeschritten, darunter Hannover mit der „SocialCard”. Die Region Hannover und Wunstorf setzen hingegen auf ein bundeseinheitliches Modell. Da gibt es aber noch Klärungsbedarf.
Denn zwischen Bund und Ländern gibt es weiterhin Streit in der Migrationspolitik. In der nächsten Woche steht das Thema daher wieder auf der Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz. Die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber ist zwar schon im vergangenen November beschlossen worden, aber dafür müssen noch Gesetze geändert werden. Da geht es im Augenblick nicht voran. Die Länder dringen auf eine Anpassung des Asylbewerberleistungsgesetzes. In der Koalition im Bund haben die Grünen dagegen allerdings Vorbehalte. Derzeit planen 14 der 16 Bundesländer (Bayern und Mecklenburg-Vorpommern verfolgen eigene Modelle), eine gemeinsame Bezahlkarte zu entwickeln. Sie einigten sich Ende Januar auf einheitliche Regeln für die Vergabe des Auftrags zur Umsetzung. Die länderübergreifende Ausschreibung soll im März erfolgen.
Die Region Hannover und Wunstorf wollen die bundeseinheitliche Regelung abwarten, wie der Stadtanzeiger auf Nachfrage erfuhr, die Stadt Hannover hingegen an der kürzlich eingeführten „SocialCard” festhalten. Die hatte die DSV-Gruppe, ein Dienstleister für die Sparkassen, entwickelt. Hintergrund: Durch eine Bezahlkarte würde das System der Barschecks, das mehr Personalaufwand erfordert, ersetzt. Die Hoffnung: Lange Schlangen vor Behörden und Sparkassenfilialen könnten künftig vermieden werden.
Die Stadtsparkasse Wunstorf begrüßt daher die Entwicklung, wie Vorstandsmitglied Frank Wiebking und Bereichsleiterin Anja Hallmann im Gespräch mit dieser Zeitung sagen. Das Institut war zuletzt in die Kritik geraten und handelte sich den Vorwurf ein, unsolidarisch zu sein, weil es das System der Barschecks mit Verweis auf den hohen Personal- und Zeitaufwand zur Diskussion stellte. ”Als einziges Institut mit Bargeldkasse bemühen wir uns nach Kräften”, so Wiebking. Die Anzahl Betroffener, die zu einem bestimmten Stichtag (am Ultimo) Barschecks erhielten und dann um Auszahlung baten, ist in den dreistelligen Bereich gestiegen.
Mit jedem Auszahlungsvorgang ist wiederum ein gewisses Prüfungsprozedere rund um die Identität verbunden. ”Wir müssen uns vergewissern, wer da vor uns steht”, so Hallmann. Der Filialbetrieb werde durch das zusätzliche Aufkommen an Barauszahlungen bzw. auch durch die Nachfrage nach der Eröffnung von Basiskonten stark belastet. Letzteres wird aber angestrebt, um die Sozialleistungen einfach unbar überweisen zu können. Inzwischen werden Gruppentermine vereinbart, um diesen Prozess besser zu gestalten. ”Wir haben immer geschaut, wie wir die Dinge lösen können”, so Hallmann.
Die Anzahl der Barschecks geht daher leicht zurück, hängt aber auch von den Flüchtlingszahlen ab. ”Für uns wäre es daher eine Prozesserleichterung, wenn es die Bezahlkarte gibt”, so Wiebking. Die „SocialCard” in Hannover erlaubt die Auszahlung von Sozialleistungen zum Beispiel auch dann, wenn die Leistungsempfänger über kein deutsches Bankkonto verfügen. Mit der „SocialCard” sei man daher sehr schnell handlungsfähig, sagt Wiebking und hebt auch die Erleichterung im Zahlungsverkehr hervor.
Allerdings erhalten die Behörden auch eine volle Zugriffskontrolle. Sie können die Nutzung einschränken, Karten sperren, Guthaben einfrieren oder zurückbuchen. Kurzum: Die Behörden können feststellen, für was die Sozialhilfeleistungen verwendet werden. Das ruft Kritik hervor. Von Abschreckung und Demütigung im Alltag schreibt zum Beispiel Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung. Die Fraktion der Grünen in der Regionsversammlung fordert eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung der Bezahlkarte, bei der die Auszahlung von Leistungen vereinfacht werden soll, ohne zu stigmatisieren. „Wenn eine Bezahlkarte umgesetzt wird, muss man damit auch alles tun können“, so der sozialpolitische Sprecher Christian Hinrichs.
Den aktuellen politischen Überbietungswettbewerb nach dem Motto ‚Wer hat die härteste Karte‘ hält Hinrichs dagegen für falsch: „Die Debatten über Sozialleistungen als angebliche Pull-Faktoren und Leistungskürzungen halte ich für bloßen Populismus.” Den Geflüchteten mithilfe von Bezahlkarten den Zugang zu Bargeld zu verwehren oder nur den Erwerb bestimmter Produkte des alltäglichen Bedarfs zu gestatten, greife massiv in die Selbstbestimmungsrechte der Menschen ein und sei nichts anderes als Schikane, so der Sozialpolitiker.
Der Vorsitzende des Wunstorfer Integrationsbeirates Joaquim Ferreira Alves Braga sagte dem Stadtanzeiger auf Nachfrage, dass es vernünftig sei, eine bundeseinheitliche Regelung abzuwarten. Ihm ist wichtig, dass es ein Verfahren gibt, das die Persönlichkeit und Würde der Menschen respektiert.