Der Arbeitskräftemangel in Deutschland ist ein täglich wiederkehrendes Thema. Im Handwerk, in der Baubranche, im Gastronomiegewerbe, bei den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) und ganz besonders bei den Pflege- und Gesundheitsberufen herrscht ein akuter Mangel an Personal. Das Statistische Bundesamt, das Institut der Wirtschaft, die Bertelsmann-Stiftung sowie das Portal „Statista“ rechnen mit einem Fehlbestand in den nächsten zehn bis zwölf Jahren von bis zu einer halben Million bei den Pflegeberufen. Bereits heute sind über einer viertel Million Stellen unbesetzt (Statistisches Bundesamt). Im Juni 2022 waren nach Angaben von Statista etwa 14 Prozent der Arbeitsplätze im Gesundheitsbereich durch Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit besetzt. Das Schaumburger Wochenblatt informierte sich bei dem Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Schaumburg, Thomas Hoffmann, dem Leiter der DRK-Flüchtlingshilfe, Michael Kunde, sowie dem Koordinator Herderschule, Christof Fischer, über die Situation beim Deutschen Roten Kreuz im Landkreis Schaumburg.
200 Mitarbeiter in 50 Pflegeheimen und ambulanter Pflege
In circa 50 Pflegeheimen und der ambulanten Pflege beschäftigt der eingetragene Verein über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seit 2016 ist das DRK Schaumburg in den Balkanländern aktiv und sucht vor Ort nach Menschen mit einer entsprechenden Ausbildung. Durch zurückliegende Corona-Beschränkungen hat sich aktuell ein System entwickelt, bei dem mit örtlichen Partnern gearbeitet wird und eine Vorauswahl in Videokonferenzen getroffen werden kann. Im Anschluss werden geeignete Personen in den Landkreis Schaumburg eingeladen. „Das größte Problem ist nicht die Ausbildung oder die Fachlichkeit,“ schilderte Thomas Hoffmann,“ das größte Problem ist neben den langen Laufzeiten für die Visa, die Sprache!“ Deutschland sei ein interessantes Land mit hohen Hürden, beschrieb er die Situation. Für den Einsatz im Pflegebereich ist eine bestandene Sprachprüfung auf dem Level „B2“ erforderlich (die Anforderungen lesen Sie im Kasten). Die Prüfung kann einmal wiederholt werden, bei Nichtbestehen muss die Person ins Heimatland zurückkehren. „Die Kommunikation in der Pflege ist extrem wichtig,“ bestätigte auch der Projektverantwortliche, Michael Kunde,“ wir müssen uns dem stellen!“ Ein weiteres Problem hatte sich in der Vergangenheit aufgetan. Vier ausländische Arbeitskräfte konnten beim DRK ihre Ausbildung erfolgreich abschließen. Danach zog es sie in die größeren Städte und standen hier nicht mehr zur Verfügung. Zurzeit befindet sich ein Mann aus der Ukraine in der Ausbildung, am 1. August kommt ein Zweiter hinzu.
Menschen nachhaltig in sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten überführen
Ziel aller über das staatliche Angebot hinausgehende Maßnahmen des DRK ist es, Menschen nachhaltig in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zu überführen, so der Koordinator Herderschule. In dieser Flüchtlingsunterkunft in Bückeburg hat sich auch ein Dreh- und Angelpunkt für Angebote des DRK entwickelt. Bereits bei der Begrüßung und der Beratung in der Flüchtlingsunterkunft werden Möglichkeiten und Fähigkeiten ausgelotet. Über die „Mund-Zu-Mund-Propaganda“ würden sich mittlerweile auch eine Reihe von Menschen selbstständig bei ihnen melden, wusste Fischer zu berichten. Mit niederschwelligen Sprachlern-Angeboten, zum Beispiel für Flüchtlinge aus den Mahgreb-Staaten (Algerien, Libyen, Marokko, Mauretanien, Tunesien) und dem Kurs „Einfach nur Deutsch sprechen“, zu dem sich bereits 20 Teilnehmer angemeldet haben, will das DRK den ersten Schritt zum Erlernen der schwierigen Deutschen Sprache erleichtern. Der Landkreis Schaumburg fördert niederschwellige Angebote über den Integrationspolitischen Fördertopf. Aus eigener Tasche finanziert der Verein einen Onlinekurs per App, der unter anderem das Erlernen von Fachbegriffen aus der Pflege ermöglicht. Ein Projekt zur beruflichen Integration, begrenzt auf zwei Jahre, startete am 1. März und wird mit einer sechsstelligen Summe vom DRK-Landesverband finanziert. 15 Menschen nehmen an zwei Standorten im Landkreis daran teil. Das Geld soll „sinnvoll“ investiert werden, so Thomas Hoffmann. Dazu würden im Vorfeld die Motivation der Bewerber sowie der Wille hinterfragt. Inhalt der Gespräche dazu sind unter anderem eine Darstellung der Situation in Deutschland. Einen ersten Erfolg konnten die drei DRK-Mitarbeiter vermelden. Mit einem Mann aus Marokko, mehrsprachig und studiert, wurde ein Ausbildungsvertrag abgeschlossen. „Der Mann ist 27 Jahre alt, hat ein Studium als Veterinärmediziner und nichts wird hier anerkannt,“ schilderte DRK-Geschäftsführer Hoffmann die Situation des Mannes. Kunde und Fischer zeigten einen weiteren Vorteil ihrer Maßnahmen auf. Durch eine mögliche Ausbildung könne der Aufenthalt in Deutschland legalisiert werden und mit Betätigung könne der Langeweile begegnet werden. „Jemand, der hier ist und in einem Mangelberuf arbeiten will und kann, ist sehr wertvoll für uns,“ bekräftigte Kunde alle Bemühungen,“ es ist auch unsere Aufgabe, sie (die Flüchtlinge) von den Möglichkeiten für die Zukunft zu überzeugen!“ Der Kreisverband nutzt die Kommunikationsplattform „WhatsApp“ für Ihre Zwecke. In einem Schaumburger Netzwerk sind zwischenzeitlich mehr als 500 Teilnehmer vernetzt.