Hinweis in eigener Sache: Wer diesen Artikel mit dem Hintergedanken liest, dass hier fremdenfeinliche Ansätze verfolgt werden, dass gegen Menschen gewettert wird, die hier Schutz vor Verfolgung suchen oder das es Textpassagen gibt, die Deutschland vor Überfremdung geschützt sehen wollen, der sollte das Lesen gleich einstellen. Klar, es geht um Anschläge in Deutschland, es geht um Menschen mit Migrationshintergrund und es geht ein Stück weit auch darum, wie man sich mit einer guten Integrationsarbeit und einer gewissen Sensibiliät vor möglichen Taten schützen kann. Und noch ein Hinweis: Nicht alle Anschläge, die uns aus Mannheim, Solingen, Magdeburg, München oder zuletzt auch beim Tötungsdelikt gleich vor unserer Tür in Bad Oeynhausen noch gut vor Augen sind, wurden von Tatverdächtigen aus Syrien, Afghanistan oder anderen Fluchtländern begangen. Ein vermutlich psychisch kranker Deutscher und ein mutmaßlich rechtsradikaler Täter waren ebenfalls dabei. Das SW fragte nach bei der Arbeiterwohlfahrt im Landkreis Schaumburg mit Heidemarie Hanauske und Stephan Hartmann sowie bei der Rintelner Integrationsbeauftragten Petra Uhe, wie die Flüchtlingssozialarbeit im Landkreis Schaumburg aufgestellt ist und mit welchen „Antennen“ man ausgerüstet ist, um mögliche „tickende Zeitbomben“ rechtzeitig zu erkennen.
Petra Uhe ist in Rinteln als Integrationsbeauftragte täglich im Kontakt mit Menschen, die aus aller Herren Länder bei uns um Asyl und Schutz suchen. Und natürlich, so Uhe, gebe es auch Problemfälle: „Wie auch im Rest der Gesellschaft!“ Doch der überwiegende Teil der Menschen haben einen starken Willen zur Integration, bemühe sich die Sprache zu lernen und sei auf der Suche nach Perspektiven für das weitere Leben. Genau diese Perspektiven seien es auch, die den Menschen Halt und das Gefühl gäben, angekommen zu sein. Das Problem einer möglichen Radikalisierung sieht Uhe vielschichtig. Faktoren wie Ablehnung durch die Gesellschaft, Perspektivlosigkeit oder auch Arbeitsverbote könnten hier unterstützend wirken. Doch Uhe gibt auch Entwarnung: „Mir sind solche Fälle in Rinteln nicht bekannt!“ Stattdessen stelle sie immer wieder große Dankbarkeit der Menschen fest und das Bedürfnis, Deutschland etwas zurückgeben zu wollen für die Hilfe, die ihnen hier zuteil werde.
Es gibt keine „Eingangskontrolle“
Für Stephan Hartmann von der AWO, die im Landkreis Schaumburg mit der Flüchtlingssozialarbeit betraut ist, werden Traumta von Menschen aus anderen Ländern hier häufig nicht erkannt: „Es gibt keine entsprechende Eingangskontrolle!“ Dazu kämen im akuten Fall strukturelle Probleme, wie etwa hohe Hürden bei der psychischen Behandlung von Menschen. Bei der AWO sei man sensibilisiert und achte im Gespräch mit den Menschen genau auf mögliche Traumatisierungen. Eng arbeite man auch mit dem psychosozialen Zentrum in Hannover zusammen, doch auch hier gelte: „Es gibt zu wenig Plätze für die Gesamtbevölkerung!“ Heidemarie Hanauske ergänzt, dass man schon bei einem „kribbelnden Bauchgefühl“ Kontakt zu Fachinstitutionen aufnehme und zudem in enger Kooperation mit der Rintelner Burghofklinik Mitarbeitende zu „Sozialpsychiatrischen Ersthelfern“ fortbilden lasse. „Damit erhöhen wir nocheinmal die Sensibilität für mögliche Problemfälle!“ Und das könne man nicht auf die Flüchtlingsarbeit reduzieren, sondern das gelte für alle Arbeitsbereiche der Arbeiterwohlfahrt. Ein weiterer Baustein für eine Betreuung von Menschen mit psychischen Problemen: Ende des Monats wird vom DRK eine Beratungsstelle für traumatisierte Geflüchtete für die psychosoziale Betreuung im „Interkulturellen Beratungs- und Begegnungszentrum“ in der Neumarktstraße 25 in Obernkirchen eröffnet.
Die Menschen kommen aus dem Krisenmodus nicht heraus
Ein Grund für verstärkte Ängste in der Bevölkerung sieht Heidemarie Hanauske auch in der Tatsache, dass man aus dem „Krisenmodus“ nicht mehr heraus komme. Corona, Ukrainekrieg, Anschläge, ökologische Ängste und vieles mehr machten Angst und raubten gedanklich Perspektiven. „Das verursacht große Angst in der aufnehmenden Gesellschaft“, so Hanauske. Deshalb sei Flüchtlingsarbeit und Integration so besonders wichtig. Und da sei man im Landkreis Schaumburg hervorragend aufgestellt, auch, weil der integrationspolitischen Fördertopf des Landkreises Gelder dafür bereithalte. Das AWO-Konzept der dezentralen Arbeit in den jeweiligen Kommunen des Kreises, das Konzept „Wohnung vor Gemeinschaftsunterkunft“ und die städtischen Integrationsarbeiten seien beispielhaft in Niedersachsen. Petra Uhe ergänzt für Rinteln: „Hier gibt es das Café International der Johannisgemeinde, Sprachkurse verschiedener Träger, Integrationskurse der „Stiftung für Rinteln“ und unglaublich viele engagierte Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit!“
Arbeitsaufnahme ist „Integration pur“
Ganz wichtig in der Flüchtlingsarbeit sei auch die Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme, so Stephan Hartmann. Das sei „Integration pur“, wenn der „Heinz und der Ali“ sich bei der Arbeit kennenlernen, miteinander reden und aufeinander angewiesen sind. Teilhabe und Wertschätzung schaffe Begegnung und Ruhe im System. Heute, so Hartmann, dürften Asylbewerber - anders als noch vor 30 Jahren - schon nach drei Monaten eine Arbeit aufnehmen. Nur bei Duldungen von Menschen aus sicheren Herkunftsländern gebe es Arbeitsverbote. Deshalb sind sich Uhe, Hanauske und Hartmann auch einig: „Wir sind im Landkreis Schaumburg gut aufgestellt!“