Bis Anfang Oktober wurden 2200 Menschen, die aus der vom russischen Angriffskrieg betroffenen Ukraine geflüchtet waren, in Schaumburg untergebracht. Nach jetzigen Schätzungen werden in den nächsten Wochen weitere 70.000 Flüchtlinge in Niedersachsen erwartet, von denen nach dem „Königsteiner Schlüssel“ 2 Prozent dem Landkreis zugewiesen werden. Die Aufnahmequote der Länder nach diesem Schlüssel setzt sich zusammen aus den Kriterien zwei Drittel Steueraufkommen und einem Drittel Bevölkerungszahl.
Der Winter steht vor der Tür und macht es nicht leichter, Kreisdezernent Klaus Heimann
Für diese 1.400 zusätzlichen Menschen, in der Mehrzahl Frauen und Kinder, stehen dem Landkreis kaum noch Wohnungen zur Verfügung. „Der Wohnungsmarkt ist erschöpft,“ fasste Heimann die Situation zusammen. Seine Bemerkung, mit der er sich auf ein Zitat (Sozialtouristen) von Friedrich Merz bezog:“ Ich wiederhole den Begriff von Herrn Merz nicht,“ wurde mit Applaus aus den Reihen der Ausschussmitglieder belohnt. Bisher habe der Landkreis für die dezentrale Unterbringung 329 Wohnungen angemietet. Daneben wurden größere Unterkünfte eingerichtet. In der ehemaligen Herderschule befinden sich derzeit 188 Personen bei einer maximalen Kapazität von 266, davon sind 200 als Notunterkünfte deklariert. In der Rintelner Pestalozzischule sind von 110 Plätzen 102 belegt. In beiden Unterkünften besteht eine Betreuungsdienst zur Verfügung, für die Sicherheit ist ein Sicherheitsdienst engagiert worden. Neben diesen Einrichtungen sind 50 Flüchtlinge bei der Lebenshilfe Rinteln, 36 beim Mehrgenerationenpark Seggebruch sowie 75 Menschen beim Kloster Möllenbeck untergekommen. Zwischenzeitlich war auch das JBF-Centrum auf dem Bückeberg in Anspruch genommen worden. Daneben haben laut Aussage von Heimann zahlreiche Personen Unterkünfte gefunden, die nicht vom Landkreis gestellt wurden. Aktuell werden wöchentlich mindestens 25 Personen von der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LABNi) zugewiesen. Dem Dezernenten liegt eine Aussage des Niedersächsischen Landkreistages vor, wonach damit zu rechnen ist, dass die Zuweisungen an die Landkreise in Niedersachsen steigen werden. Er rechnet damit, dass der Landkreis Schaumburg zukünftig wöchentlich zwei Zuweisungen mit 20 bis 25 Flüchtlingen aus der Ukraine erhält. Daneben werden pro Woche etwa 12 Flüchtlinge aus anderen Nationen erwartet.
Es ist eine sehr angespannte Situation, aus diesem Grund wird auch weiterhin nach Unterkünften gesucht, Klaus Heimann
Die Verwaltung im Landkreis Schaumburg möchte die Menschen möglichst auch weiterhin dezentral unterbringen, daran wolle der Kreis so lange wie möglich festhalten, machte der Dezernent die Lage deutlich. Notfalls müssen man jedoch auch über eine Belegung von Turnhallen nachdenken, wobei das möglichst lange vermieden werden solle, auch, um die Einschränkungen für Schulen und Vereine möglichst gering zu halten. In anderen Landkreisen würden bereits Menschen in Container-Dörfern untergebracht, auch diese Möglichkeit werde in Betracht gezogen.
Nach den Ausführungen von Kreisdezernent Klaus Heimann wurde ein Antrag der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Schaumburg zur Diskussion und Abstimmung vorgelegt. Die AWO hatte darin für das Jahr 2023 1,5 Millionen Euro beantragt, um mit diesem Zuschuss ihre Flüchtlingssozialarbeit zu finanzieren. Im Jahr 2018 waren 1,375 Millionen Euro als Zuschuss gewährt worden, in den Jahren 2021 und 2022 war der Zuschuss aufgrund sinkender Flüchtlingszahlen auf 980.000 Euro pro Jahr reduziert worden. Nach eigenen Angaben hatte die die AWO ihre Beratungsleistungen zurückgefahren und die Form der Beratungen von einer aufsuchenden zu einer „Komm-Struktur“ verändert, bei der die Hilfesuchenden die Büros der AWO aufsuchen mussten. Infolge des Krieges in der Ukraine, nahm die Zahl der Flüchtlinge stark zu und die Hilfsorganisation finanzierte den erhöhten Personalbedarf mit 90.000 Euro, die 2021 nicht verbraucht worden waren. Nachdem Klaus Heimann den Antrag wohlwollend dargestellt und eine Beschlussempfehlung ausgesprochen hatte, waren mehrere Ausschussmitglieder in der vorgelegten Form nicht einverstanden. Heiko Tadge (CDU) verlangte detaillierte Aussagen zu den zu finanzierenden Vollzeitstellen und deren Tätigkeit. Michael Dombrowski (Grüne) stellte zunächst die Höhe des Zuschusses infrage, ergänzte dann den Hinweis, dass die 1,5 Millionen nicht ausschließlich der AWO zugutekommen sollten, sondern auch anderen in der Flüchtlingssozialarbeit tätigen Organisationen. Aus den Reihen der CDU kam ebenfalls der Hinweis auf die noch ausstehenden Haushaltsberatungen und ob es möglicherweise Einsparmöglichkeiten gäbe. Im Zusammenhang mit dem Antrag der AWO, wurde ein weiterer Antrag der Stadt Rinteln beraten, die selbst einen Flüchtlingssozialarbeiter einstellen wollen und dafür eine 75-prozentige Beteiligung des Landkreises an den Personalkosten beantragt haben. Heimann begrüßte ausdrücklich das Vorhaben, da es an allen Ecken und Enden an Sozialarbeitern fehle. Den Hinweis auf die Möglichkeit, die Flüchtlingssozialarbeit nicht von Organisationen übernehmen zu lassen, sondern selbst 35 bis 40 Sozialarbeiter einzustellen, verwarf Sozialamtsleiter Klaus Böhm mit der Begründung, dass es zum einen nicht kostengünstiger sei, zum anderen es einige Zeit dauern würde, diese überhaupt zu bekommen.
Die Mühlen der Verwaltung mahlen langsam, Sozialamtsleiter Klaus Böhm
Letztendlich einigte sich der Ausschuss auf Zustimmung der Anträge, jedoch mit den Zusätzen, dass auch Dritte berücksichtigt werden sollen und vor den Haushaltsdebatten Strukturen sowie Vollzeitäquivalente darzulegen seien. Weitere Beschlussvorlagen über 4.800 Euro Förderung von Deutschkursen des DRK in Bad Nenndorf und Obernkirchen sowie ein Antrag des Diakonischen Werkes der Ev.-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe auf Unterstützung des Projektes „Chancen durch Kontakte“ über 31.000 € für zwei Jahre wurden einstimmig beschlossen. Ebenfalls einstimmig beschloss der Ausschuss die Wahl einer stellvertretenden Ausschussvorsitzenden, sowie einen Antrag der Gruppe SPD/FDP über die Schaffung von organisatorischen, personellen und finanziellen Voraussetzungen zur Stärkung der Migrationsarbeit. Die Beschlussfassung über einen Antrag der Gruppe WGS/Freie Wähler auf Einrichtung eines Integrationsbeirates wurde vertagt.