Nach mehr als vierjähriger Vorbereitungszeit haben die fünf evangelischen Kirchen in Niedersachsen und die vier katholischen Bistümer kurz vor Weihnachten eine Vereinbarung über die Einführung eines gemeinsam verantworteten Christlichen Religionsunterrichts unterzeichnet. Das neue Unterrichtsfach „Christliche Religion nach evangelischen und katholischen Grundsätzen“ soll ab dem Schuljahr 2025/2026 schrittweise an allen Schulformen in Niedersachsen die Fächer Evangelische Religion und Katholische Religion ersetzen. Zum ersten Mal in Deutschland werden damit die evangelische und die katholische Kirche gemeinsam die Verantwortung für einen christlichen Religionsunterricht in Niedersachsen übernehmen.
Auf die Unterzeichnung der Vereinbarung folgen jetzt weitere Schritte, bevor das neue Fach in Niedersachsen flächendeckend eingeführt werden kann. Zwei vom Land Niedersachsen beauftragte Kommissionen erstellen derzeit neue Lehrpläne für die Grundschule und die weiterführenden Schulen bis Jahrgang 10. Ökumenische Arbeitsgruppen befassen sich mit der Konzeption von passgenauen Fortbildungen und überlegen, auf welche Art und Weise die Einführung des neuen Faches vor Ort gezielt durch die Bereitstellung von Unterrichtsmaterial unterstützt werden kann. Auch die derzeit nicht beteiligten christlichen Konfessionen – wie die orthodoxen Kirchen oder die Freikirchen – sind in den Prozess einbezogen.
Die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg begrüßt die außerordentliche Kooperationsbereitschaft der Kirchen in Niedersachsen sehr und gratulierte zu dieser wegweisenden Vereinbarung.
Die SchülerUnion Schaumburg begrüßt die Entscheidung des Kultusministeriums, zukünftig einen gemeinsamen Religionsunterricht anzubieten, erklärt der Vorsitzende Jannik Haschke gegenüber dieser Zeitung. „Ein gemeinsamer Religionsunterricht von evangelischen und katholischen Schülerinnen und Schülern fördert die gegenseitige Akzeptanz und stärkt das soziale Miteinander innerhalb der Lerngruppen“, anstatt getrennt unterrichtet zu werden.
Der SchülerUnion gehen die Maßnahme nicht weit genug. Aus Sicht der Schülerorganisation sollte der Religionsunterricht zukünftig auch auf Schülerinnen und Schüler anderer Glaubensrichtungen ausgeweitet werden. „Erst wenn alle Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen kulturellen und religiösen Gruppen gemeinsam miteinander und voneinander lernen, können Respekt und Verständnis für die Denkweisen des jeweils anderen gefördert werden“, betont Haschke. „Ein solcher Austausch, etwa mit muslimischen Schülerinnen und Schülern, könnte auf Grundlage unserer demokratischen Werte stattfinden und würde verhindern, dass sich junge Menschen in sozialen Netzwerken weiter radikalisieren“, so Haschke.
In Niedersachsen haben im Schuljahr 2023/2024 insgesamt gut 536.000 Schülerinnen und Schüler evangelischen, katholischen oder konfessionell-kooperativen Religionsunterricht besucht. Knapp 239.000 Schülerinnen und Schüler nahmen dabei am konfessionell-kooperativen Religionsunterricht teil, 260.000 am evangelischen Religionsunterricht, 37.000 am katholischen Religionsunterricht. 218.000 Schülerinnen und Schüler entschieden sich für die Teilnahme an den Fächern Werte und Normen und Philosophie. Gut 34.000 nahmen weder am Religionsunterricht noch an Werte und Normen beziehungsweise Philosophie teil.