„Wenn ich sage, dass die Situation dramatisch ist, dann ist das untertrieben“, sagt Rainer Schreeck. Seit nunmehr drei Jahren sieht er sich hilflos mit einer anwachsenden Krähenpopulation unmittelbar vor seinem Wohnhaus in der Gutenbergstraße konfrontiert, mit entsprechenden Begleiterscheinungen, die zunehmend zur Belastung werden.
Die Vögel würden anhaltenden Lärm auslösen, Kot auf Fahrzeugen, im Garten und an Hauswänden hinterlassen. „Immer wieder kommen die Saatkrähen im Tiefflug auf das Grundstück, besetzten die Dachflächen meines Hauses, hacken dort Dichtungsmaterial aus den Dachziegeln, picken Moos aus dem Garten. Sie scheinen dabei ein Ziel zu haben: So schnell wie möglich damit ein neues Nest vor meinem Haus zu bauen.“
Bereits vor einem Jahr bat Schreeck den Wunstorfer Ortsrat sowie die Stadtverwaltung um Hilfe, da er bisher bei zuständigen Stellen mit diesem Problem kein Gehör gefunden habe. Darunter auch das Gespräch mit dem Naturschutzbeauftragten der Region Hannover, Karl-Heinz Girod. Aber die erhoffte, zum Teil zugesagte Hilfe ist von allen Seiten ausgeblieben. Girod sprach von der Möglichkeit, die Nester nach der Brutzeit aus den Bäumen zu entnehmen. „Aber in den zurückliegenden zwei Jahren ist nichts geschehen“, zeigt sich Schreeck enttäuscht. „Das Ende der Brutzeit steht jetzt auch wieder bevor.“
Inzwischen hätte auch eine Nachbarin versucht, die Bahn dazu zu bewegen, die Krähennester aus den Bäumen am Bahndamm zu entfernen. Fehlanzeige. Keine Veränderung und keine weiteren Gespräche dazu. „Der Handlungsbedarf liegt bei der Bahn“, betonte Ortsbürgermeister Thomas Silbermann in einer Ortsratssitzung vor einem Jahr. Die Bahn habe dafür zu sorgen, dass die Pflanzen auf ihrem Gelände überprüft werden. „Die Stadt wird hierbei vermittelnd eintreten“, so Silbermann weiter. Eine Rückmeldung habe er von Silbermann nicht bekommen, so Schreeck.
Die große Population ist nicht zu übersehen. In großen Schwärmen kreisen sie über die Wohngebiete, die Hochstraße und Kolenfelder Straße. Inzwischen sind es mindestens 200 Nester – entsprechend mindestens 400 Tiere – in den Bäumen entlang der Bahntrasse parallel zur Hochstraße, der Bundestraße 441, übergreifend auf die Grundstücke an der Alten Bahnhofstraße, in denen Jungtiere herangezogen werden. Da die Saatkrähen Koloniebrüter sind, ist damit zu rechnen, dass diese Tiere im kommenden Jahr dort selbst neue Nester bauen. Damit würde die Kolonie noch weiter anwachsen, so die Sorge der Anwohner. „Das Maß der Belästigung ist jetzt schon unerträglich geworden“, so Schreeck. Eine neue Krähenansiedlung wurde inzwischen auf Bäumen des Barnewäldchens, am Rande der Wohnbebauung gesichtet.
Das grundsätzliche Problem ist: Die geschützten Saatkrähen leben vermehrt innerhalb von Städten, da sie in Gärten Futter finden, wie auch Lebensmittelabfälle auf den Straßen und in Papierkörben. Für Landwirte können sie ebenfalls zur Plage, sogar zur Existenzbedrohung werden, da sie oftmals die Saat aus den Feldern herausholen. In der aktuellen „Roten Liste der Brutvögel Deutschlands“ wird die Saatkrähe als ungefährdet eingestuft. Gleichzeitig gehört sie in Deutschland als europäische Vogelart aber immer noch zu den besonders geschützten Tierarten. „Dieser Schutzstatus sei unverhältnismäßig und müsse angepasst werden“, forderte die CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag und votierte in einer der jüngsten Plenarsitzungen für eine Herabstufung des Schutzstatus für die Saatkrähe.
Deutschlandweit seien die Populationen der Saatkrähe regional stark angestiegen, so der Antrag der Fraktion. Im gesamten Bundesgebiet sei im Jahr 2019 der Bestand auf über 200.000 erwachsene Vögel geschätzt worden. Die Krähen würden „neben lebenden Bodenorganismen auch aufkeimende Saat fressen“, wodurch erhebliche Verluste im Pflanzenbau entstehen könnten. Schäden von mehreren Tausend Euro pro Hektar Ackerfläche seien keine Seltenheit. Zudem müsse, so der Antrag der CDU-Fraktion weiter, eine Bejagung möglich sein. Gesetze sollten angepasst werden, sodass „rechtskonforme Maßnahmen die Verlagerung von Brutkolonien der Saatkrähe ermöglichen, die sich in Wohngebieten und Siedlungsnähe befinden“, schrieben die Abgeordneten.
Doch leider erfuhr Rainer Schreeck für das Krähenproblem in Wunstorf nach dieser politischen Initiative auch keine Unterstützung. Der Antrag wurde von den Mitgliedern der Regierungsfraktionen mehrheitlich abgelehnt, obwohl sich Redner aus ihren Reihen durchaus bedenkend beziehungsweise offen gegenüber dem Problem zuvor äußerten.