Koordination in der Krise: Wie der Landkreis Schaumburg auf Großschadenslagen vorbereitet ist. Wer entscheidet? Wer hilft? Einblicke in die Abläufe bei schweren Unglücken: Der schwere Bahnunfall im Hamburger Stadtteil Rönneburg, bei dem am Dienstag ein ICE mit einem Sattelzug kollidierte, ein Mensch verstarb und rund 25 verletzt wurden, rückt die Frage in den Fokus: Wie gut sind Kommunen auf Katastrophen vorbereitet? Im Landkreis Schaumburg könnten ähnliche Großschadenslagen jederzeit eintreten – sei es durch Verkehrsunfälle auf der A2, Brände oder Naturkatastrophen.
Doch wer entscheidet in solchen Situationen? Welche Einsatzkräfte sind beteiligt? Und ab wann wird der Katastrophenschutz aktiv? Das Schaumburger Wochenblatt hat beim Landkreis nachgefragt.
Alarmierung: Wer entscheidet, wer hilft?
„Im Ernstfall zählt jede Minute“, erklärt Anja Gewald, Pressesprecherin des Landkreises Schaumburg. „Die Leitstelle muss blitzschnell reagieren, denn je nach Lage braucht es unterschiedliche Einsatzkräfte.“ Angenommen, es ereignet sich ein schwerer Unfall mit einem vollbesetzten Reisebus und vielen Verletzten. Der erste Schritt ist immer eine schnelle Lagebewertung.
Je nach Einschätzung wird entschieden, ob weitere Kräfte aus dem Konzept Großschadenereignis alarmiert werden müssen. In diesem Fall alarmiert die Leitstelle nach einem festen Plan:
• Die Feuerwehr rückt gemäß der örtlichen Alarm- und Ausrückeordnung aus.
• Der reguläre Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) wird entsandt.
• Ergänzend dazu kommen weitere Rettungskräfte des DRK-Kreisverbands zum Einsatz.
• Falls erforderlich, werden zusätzliche Einsatzkräfte aus benachbarten Landkreisen angefordert.
• Die Polizei übernimmt die Absicherung der Unfallstelle und die Koordination mit weiteren Behörden.
• Die örtliche Einsatzleitung des Rettungsdienstes und die Feuerwehrführung übernehmen die Koordination vor Ort.
Wann wird der Katastrophenschutz aktiv?
Die Entscheidung, ob eine Lage zum Katastrophenfall erklärt wird, liegt beim Hauptverwaltungsbeamten des Landkreises. Sobald dies geschieht, übernimmt die Katastrophenschutzbehörde die zentrale Lenkung aller Maßnahmen. „Im Katastrophenfall gehen die Zuständigkeiten von den Gemeinden auf den Landkreis über. Das bedeutet, dass die gesamte Gefahrenabwehr von einer zentralen Stelle aus gesteuert wird.“ Dafür gibt es eine spezielle Koordinationsstelle: den „Stab für außergewöhnliche Ereignisse“.
„Dieser überwacht die Lage, bewertet Risiken und bereitet Entscheidungen vor. „Wir haben ein eingespieltes Team, das in Krisensituationen schnell handlungsfähig ist“, so Gewald weiter. „Ein gutes Beispiel war das Hochwasser an Weihnachten 2023 – hier konnten wir dank unserer Struktur zügig reagieren.“
Zusammenarbeit mit Nachbarregionen und überregionalen Einsätzen
Nicht immer können lokale Kräfte allein ausreichen. Besonders in grenznahen Orten ist die Zusammenarbeit mit Nachbarkreisen essenziell.
Ein Beispiel: Im Rettungsdienst gibt es sogenannte ManV-S-Einheiten (Massenanfall von Verletzten – Standard). Diese bestehen aus zwei Rettungswagen und einem Notarzteinsatzfahrzeug und können schnell angefordert werden. „Durch moderne Technik wie Flottenserver sind wir in Echtzeit mit umliegenden Leitstellen vernetzt“, erklärt Leitstellenleiter Thomas Reiter. „So können wir in Sekunden sehen, welche Fahrzeuge verfügbar sind, und diese direkt alarmieren.“
Ein weiteres Beispiel für überregionale Einsätze ist die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021. Auch hier waren Helfer aus dem Landkreis Schaumburg im Einsatz. Der Landkreis hält zwei Kreisfeuerwehrbereitschaften vor, die innerhalb weniger Stunden einsatzbereit sind. Diese werden über das niedersächsische Kompetenzzentrum koordiniert, um sicherzustellen, dass der Schadenraum gezielt mit den benötigten Kräften versorgt wird.
Privat organisierte Hilfseinsätze hingegen seien problematisch, warnt der Landkreis. „Wenn Einsatzkräfte unkoordiniert anreisen, führt das oft zu logistischen Schwierigkeiten – zum Beispiel bei der Versorgung und Unterbringung“, so die Landkreis-Sprecherin. „Deshalb läuft jede überregionale Hilfe über offizielle Strukturen.“
Vorbereitung ist entscheidend
Ob Verkehrsunfall, Hochwasser oder Großbrand – der Landkreis Schaumburg verfügt über klare Strukturen und Abläufe, um Großschadenslagen zu bewältigen. Die Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr, Rettungsdiensten und Behörden ist eng abgestimmt, und moderne Technik erleichtert die Koordination. „Wir hoffen natürlich, dass solche Szenarien nie eintreten“, so Anja Gewald abschließend. „Aber wenn es passiert, sind wir vorbereitet.“