Der seit jeher historisch interessierte Dachdeckermeister („In Geschichte hatte ich immer die besten Schulnoten!”) studierte die einschlägige Fachliteratur. „Ich habe viel über Kriege und Morde gelesen”, wunderte er sich bei seinen Recherchen. Dass aber gerade das Bierbrauen von großer Bedeutung für den Aufschwung der Stadt gewesen ist, habe sich nur an verschiedenen versteckten Stellen finden lassen. Also setzte sich der immer noch agile Senior, der in diesen Tagen seinen 91. Geburtstag feiern kann, hin und trug alles Wissenswerte über Herstellung und Vertrieb des Gerstensafts zusammen. Dabei fing er nicht erst beim Rodenberger Bier-Privileg des Grafen Adolf im Jahr 1322 an, sondern erforschte den Ursprung des Volksgetränks bis zurück ins zweite Jahrtausend vor Christus. Die gräfliche Lizenz zum Brauen und zum Verkauf führte zum Bierbannbezirk, der das Amt Rodenberg sowie etliche Dörfer in den Ämtern Bokeloh, Mesmerode und in der Vogtei Hattendorf umfasste: Hier durfte kein anderweitiger gleichartiger Trunk eingeführt werden. Folglich widmeten sich immer mehr Rodenberger der Braukunst und sollen – wie Hartmann für die Zeit zum 1600 errechnete – jährlich bis zu zwei Millionen Liter produziert haben. Zwölf Sattelbürger hatten das große, 46 Regebürger das kleine Braurecht. Letztere nutzten das Brauhaus in der Echternstraße. Natürlich haben die Rodenberger auch selbst dem flüssigen Genuss zugesprochen. Noch im 14. Jahrhundert galt es als beschämend, wenn ein Gast einen Festschmaus nüchtern verließ. Später sammelten Nachtwächter und Ratsknecht mit einer Karre die Betrunkenen ein und brachten sie in ihre Wohnungen oder auf ein ständig vorbereitetes Strohlager. Erst im 17. Jahrhundert fand der Missbrauch des Alkohols nicht mehr die Billigung der Obrigkeit – im Gegenteil. Aber in den Kirchen wurde weiterhin an jedem Sonntag die „Braufürbitte” formuliert, ein weiterer Beleg für die wirtschaftliche Bedeutung des Bieres. Das Rodenberger Gebräu fand 1710 sogar Aufnahme in der Fachliteratur, als es in einem Zug mit dem hannoverschen Broihan, der Braunschweiger Mumme und dem Einbecker Bock genannt wurde. Neben dem nach Kinkeldey benannten Produkt gab es auch ein Bockbier sowie ein mit Honig versetztes „Weiberbier”. Diese Aufzählung steht auch auf dem Titel des 68 Seiten umfassenden Bands, den Rudolf Zerries nach Art der bisherigen im Rodenberg-Verlag erschienenen fünf Ausgaben gestaltet hat. Den Exklusivvertrieb besorgt der Inhaber der Deisterbuchhandlung, Lars Pasucha. Nur dort ist das Buch zum Preis von 6,50 Euro erhältlich. So ist Hans Heinrich Hartmann erst am Beginn seines zehnten Lebensjahrzehnts zum Buchautor geworden. Dabei wollte er seine Aufzeichnungen zunächst nur im engen Familienkreis verteilen. Doch Zerries überzeugte ihn, die gewonnenen Erkenntnisse einer breiten Leserschaft zu widmen und damit ein weiteres Licht in Rodenbergs Vergangenheit zu bringen. Dagegen ist Hartmanns Erstlingswerk wirklich nur einem kleinen Kreis zugänglich geworden: Er schrieb die bis auf das Jahr 1911 zurückgehende Chronik des Familienbetriebs. Foto: al