Eigentlich war der Wahl-Apelerner auf der Suche nach einer geeigneten Beschäftigung im Ruhestand. Der heute 65-Jährige hatte sich schon während seiner Tätigkeit als Diplom-Informatiker nach handwerklichem Ausgleich „vom Stress im Büro” gesehnt. Holzarbeiten kamen für ihn nicht in Frage: „Das macht doch jeder.” Anfangs interessierte er sich für Keramik; bald aber entdeckte er die Fertigkeiten eines befreundeten Laborglasbläsers. Seitdem lässt ihn der Werkstoff Glas nicht mehr los.
Die nötigen Grundlagen besorgte er sich bei einem Kurs der Rintelner Volkshochschule, im Internet und in der Fachliteratur. Danach hieß es für ihn nur noch: „Üben, üben, üben!” Bis der erste halbwegs brauchbare kleine Gegenstand in der Flamme aus Propangas und Sauerstoff entstand, verging eine ganze Weile.
Vorher hatte der ehemalige Berliner an größeren Gegenständen esine Fertigkeiten erprobt. Überall im Haus stehen schlanke Vasen in unterschiedlichen Farben und Formen. Diese können sich auch schon sehen lassen, wenngleich die damalige Tätigkeit sich zur heutigen fast völlig unterscheidet. Waren es früher Glasröhren, die mit großem Aufwand bearbeitet wurden, liegen jetzt als Rohware kleine Stränge in den verschiedensten Farben bereit. Sie sehen aus wie etwas zu lang geratene Strohhalme. Wenn er deren Spitzen in die grelle Flamme hält, bildet sich bald ein träger Tropfen. Diesen nimmt Ritzer mit einem metallenen Dorn auf, den er gleichmäßig in der Hitze dreht. Daraus entwickelt sich allmählich eine Perle. Kugelrund kann sie sein oder dank eines kleinen Werkzeugs auch ellyptisch verformt oder flach wie eine Münze. „Ich habe lange, lange probiert”, verrät der Autodidakt. Denn anfangs wollte die Perle partout keine gleichmäßige Rundung annehmen. Später aber hatte Ritzer so viel Erfahrung gewonnen, dass er seine kleinen gläsernen Kunstwerke mit unterschiedlichen Farben, mit bunten Äderchen oder gar Lufteinschlüssen dekorieren konnte. „Vielleicht habe ich ja auch etwas erfunden, was andere gar nicht kennen”, freut er sich über seine Entdeckungen. Und schon greift er zu neuen Zutaten, lässt die noch heißen Kugeln durch Gold- oder Silberfolie oder durch feine Splitter drehen und sorgt mit einem kleinen Handgriff dafür, dass sich Farbflächen verwirbeln. Dass am Ende trotz gleicher Farbkombination nicht eine Perle aussieht wie die andere, ist gewollt. Denn zum guten Schluss fädelt sie der Hobbykünstler auf einen Faden oder ein Kautschukband – das Schmuckstück ist fertig.
Manchmal kommen einige Apelernerinnen zu Besuch, denen er nicht nur seine Fertigkeiten vorführt, sondern sie auch erläutert. „Es müsste ja Glasdreherei heißen”, sagt er dann jedes Mal, weil die Perlen nicht durch Atemluft, sondern nur durch das gleichmäßige Drehen entstehen. Und das ist leichter gesagt als getan. Denn durch die natürliche Schwerkraft bildet das verflüssigte Glas Tropfen, die herabfallen würden, wenn Ritzer sie nicht durch den Drehvorgang rasch um den Dorn wickeln würde.
Bei seiner ersten Ausstellung in der Nenndorfer Wandelhalle will er ebenfalls Rede und Antwort stehen. Neben etlichen Ketten aus seiner Produktion nimmt er auch seinen kleinen Arbeitsplatz mit. Dann können ihm Besucher gleich über die Schulter gucken. Foto: al