„Man bekommt sehr viel zurück“ | Schaumburger Wochenblatt

08.11.2024 09:53

„Man bekommt sehr viel zurück“

Joel Charles bringt sich mit vielen Stunden ehrenamtlich ein. (Foto: pirvat)
Joel Charles bringt sich mit vielen Stunden ehrenamtlich ein. (Foto: pirvat)
Joel Charles bringt sich mit vielen Stunden ehrenamtlich ein. (Foto: pirvat)
Joel Charles bringt sich mit vielen Stunden ehrenamtlich ein. (Foto: pirvat)
Joel Charles bringt sich mit vielen Stunden ehrenamtlich ein. (Foto: pirvat)

Der Stadthäger Joel Charles engagiert sich ehrenamtlich als Sprachmittler sowie weiteren Projekten zur Unterstützung von neu in Schaumburg angekommenen Menschen. „Freiwilligenarbeit gibt einem so viel“, erklärte er im Pressegespräch. Er könne jedem nur empfehlen, ehrenamtlich tätig zu werden, jeweils in dem Feld, das der Person liege.

Es kann der Besuch beim Arzt sein, die Bewerbung um eine Mietwohnung oder der Termin bei einer Behörde, bei der Joel Charles Menschen mit wenig Deutschkenntnissen unterstützt. Weil er die spanische und französische Sprache beherrscht und auch keine Probleme mit Englisch hat, ist es ihm möglich sehr flexibel wichtige Dienste bei der Verständigung leisten. Oft zieht ihn beispielsweise die Landkreisverwaltung hinzu, wenn es um eine solche Vermittlung geht. „Wenn jemand Hilfe braucht, egal wer das ist, bin ich da“, so Joel Charles, der auf eine große Zahl derartiger Einsätze zurückblicken kann. Das ist zum Beispiel auch mal die nächtliche Begleitung einer Frau mit ihrem kranken Sohn ins Krankenhaus nach Vehlen und die Unterstützung bis zum nächsten Morgen um 5 Uhr.
Manche der von ihm Begleiteten würden fast kein Wort Deutsch sprechen, berichtete Joel Charles. Für beide, die Begleiteten, zumeist Flüchtlinge, wie auch für Ärzte, Behördenvertreter oder andere Gesprächspartner sind Sprachmittler dann eine sehr wertvolle Hilfe. „Es geht dabei nicht nur um die Sprache allein“, hielt Joel Charles fest. Die Neuankömmlinge würden oft Verfahren in Deutschland nicht kennen oder seien zum Beispiel mit dem hiesigen Gesundheitssystem nicht vertraut. Hier kann der Stadthäger Orientierung bieten und die Abläufe vereinfachen. Viele Neuankömmlinge seien zudem tief verunsichert, durch die Ankunft in einem ihnen unbekannten Land. Mancher ist auch durch Fluchterfahrungen traumatisiert.
Viele Stunden in teils stressigen Situationen ehrenamtlich abzuleisten, warum nimmt er das auf sich? Die Arbeit mache ihm große Freude, betonte er. Wenn er sehe, dass er die Unterstützten voranbringe, gebe ihm das viel zurück. Nicht zuletzt lerne er immer dazu, gerade auch über andere Kulturen und den interkulturellen Umgang. Es sei sehr schön, einer Tätigkeit nur aus Freude nachzugehen, nicht weil man müsse oder dafür Geld verdienen wolle. Er absolvierte Fortbildungen, unter anderem als Peer-Begleiter, was ihn in seiner Tätigkeit vorangebracht habe. Eines Tages betonten die Mitwirkenden des Sprachmittler-Pools, dass es unfair sei, dass er Stunden wie in einer Vollzeitstelle leiste, ohne dafür bezahlt zu werden. Joel Charles bekam eine befristete Stelle. „Das Geld war aber auch in dieser Phase nie der Grund, warum ich das tue“, betonte er entschieden.
Ebenso wenig wie es monetäre Gründe waren, die ihn dazu brachten, sein Herkunftsland Haiti, wo er als Lehrer tätig war, zu verlassen. Wegen der Gefahr für seine Sicherheit flüchtete er aus dem karibischen Staat und stellte einen Asylantrag in Deutschland. Zunächst im Ankunftszentrum in Bramsche kam Joel Charles schließlich nach Schaumburg in die Flüchtlingsunterkunft in Bückeburg. Insofern ist ihm auch die Situation nur zu vertraut, ohne Sprachkenntnisse in Deutschland anzukommen. Die Lage sei für ihn mental sehr belastend gewesen. Weil er keinen Kurs erhielt, begann Joel Charles schon bald auf eigene Faust Deutsch zu lernen. Eines Tages fielen seine Kenntnisse in der Unterkunft in Bückeburg auf. Ob er aushelfen könne bei der Verständigung mit spanischsprachigen Neuankömmlingen? Joel Charles versuchte sein Bestes. Sein Einsatz wurde als sehr hilfreich eingeordnet. Er wuchs im Folgenden in die Rolle des Sprachmittlers hinein. Dabei habe er sehr schnell gespürt, wie sich durch die ehrenamtliche Tätigkeit seine mentale Verfassung verbesserte, so Joel Charles. Er weitete sein Engagement stetig aus, ist auch im Projekt „Empower Migrants” in unterstützender Funktion für Migranten tätig, weiteres kommt hinzu.
Was ihn manchmal störe? Wenn sich jemand überhaupt nicht offen und zugänglich gegenüber den von ihm unterstützten Menschen zeige, erklärte Joel Charles. Einen schlechten Tag könne jeder haben, dies sei oft der Situation geschuldet. Aber mit einer stetigen Verweigerung sei schwierig umzugehen. Rassismus sei natürlich auch frustrierend. Hier ist Joel Charles jedoch ebenso Differenzierung wichtig. Nicht jeder, der schlecht aufgelegt sei, und einmal unhöflich gegenüber einem Zuwanderer sei, sei gleich ein Rassist.
Auf einen weiteren Beweggrund für sein Engagement kommt Joel Charles, der in seiner Freizeit leidenschaftlich gern Fußball (bei Rot-Weiß Stadthagen) spielt, zum Schluss. Deutschland und Schaumburg hätten ihm mit der Aufnahme viel gegeben, betonte er. Durch seine Tätigkeit wolle er nun auch etwas zurückgeben und zur Fortentwicklung der hiesigen Gesellschaft beitragen. Dies sei auch der Hintergrund für seine jetzige berufliche Orientierung in der Ausbildung in der Ergotherapie. Als Sprachmittler ist er weiterhin dabei.
Foto: archiv bb


Bastian Borchers
Bastian Borchers

Redakteur Schaumburger Wochenblatt

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