Mangellage vor allem bei Fiebersäften und Antibiotika
Eine Mangellage gibt es aktuell vor allem bei Fiebersäften und Antibiotika. Wir erleben aktuell eine Knappheit bei Fieberschmerzsäften mit Ibuprofen sowie Paracetamol und bei Basisantibiotika wie etwa Penicillin. Basisantibiotika sind aber für 70 bis 80 Prozent der Bakterien das Mittel der Wahl. Kurzfristige Abhilfe sollen Flohmärkte für Arzneimittel bringen. Diese sind vom Lösungsansatz allerdings mehr ein Offenbarungseid als eine wirklich ernst gemeinte Strategie zur Abwendung der Arzneimittelknappheit.

Auch vor der Tür angekommen
Klaus Bellwinkel, Inhaber der B33 Apotheken in Schaumburg sieht die gerade beschriebene Situation dramatisch - und das nicht erst seit dem Aufkommen der aktuellen Lieferschwierigkeiten. „Nennen Sie mir einen beliebigen Buchstaben aus dem Alphabet und ich nenne Ihnen ein dementsprechendes Produkt mit dem jeweiligen Anfangsbuchstaben, das aktuell nicht verfügbar ist“, beschreibt Bellwinkel die „mehr als angespannte“ Lage bildlich. Mittlerweile betrifft es seinen Beobachtungen nach die komplette Bandbreite der Medikamente. Grund dafür, dass es sich bei der Knappheit nicht nur um bestimmte Medikamente handelt, liegt in der Tatsache begründet, dass die Problematik erheblich vielfältiger ist, als das reine Fehlen eines Wirkstoffes. Zum Beispiel sorgt die Gaspreiskrise dafür, dass kleine Glasflaschen derzeit erheblich teurer sind und so zur Mangelware werden. Darüber hinaus spielt auch der aktuelle Krankheitsstand bei den Herstellern eine Rolle. Noch extremer wird es bei den Verpackungen für die Arzneimittel. So gibt es laut Bellwinkel erhebliche Engpässe durch die Verknappung bei Umkartonagen, Folien und Blisterverpackungen. Ein Hersteller hat ihm in diesem Zusammenhang erzählt, dass ein chinesisches Unternehmen in Kanada, dem Haupt-Exporteur der Verpackungen für Arzneimittel, sämtliches Kartonmaterial aufgekauft habe, um dieses auf dem Weltmarkt mit ordentlich Gewinn weiter zu verkaufen. So wird deutlich, dass das Problem auch in der globalen Marktwirtschaft liegt.

Preispolitische Bandagen
Doch damit nicht genug. Dass Deutschland im Wettbewerb eher schlecht dasteht, begründet der Rintelnder Apotheker auch mit dem Umstand, dass es hier den so genannten Arzneipreis-Deckel gibt, der zudem auch noch seit 2007 nicht angepasst wurde. „Wir haben es mit weltweiten Konzernen zu tun, die ihre Arzneimittel an diejenigen verkaufen, die am meisten Geld dafür bezahlen. Der in Deutschland bestehende Preis-Deckel ist kontraproduktiv und beschränkt die Möglichkeiten, den Zuschlag für Produkte zu bekommen“ beschreibt Bellwinkel die kritische Situation. „Wenn es geht, suchen wir aktuell mittlerweile bei jedem dritten bis vierten Rezept in Rücksprache mit dem Arzt nach Alternativen, da das ursprünglich verschriebende Präparat nicht lieferbar ist. Apotheker Bellwinkel ist dabei noch relativ gut dran, da er durch seine insgesamt vier Apotheken eine andere Lagerkapazität vorhalten kann.

Kontingente vorgegeben
Doch mittlerweile stößt auch er an seine Grenzen. Denn alles was nachkommt, wird durch die im Markt bestehenden fünf bis sechs Großhändler aufgrund eines Beschlusses des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kontingentiert. „Durch den pharmazeutischen Großhändler ist die ordnungsgemäße Versorgung der Apotheken in Deutschland zur gesetzlichen Mindestbevorratung von einer Woche (§ 15 Abs. 1 ApBetrO) sicherzustellen. Die Belieferung mit Arzneimitteln soll auf der Basis der Abgabemengen des Vorjahres erfolgen“ heißt es in der allgemeinen Anordnung an die pharmazeutischen Unternehmer und die pharmazeutischen Großhändler zur Lagerhaltung und bedarfsgerechten Belieferung von Humanarzneimitteln (Kontingentierung). Doch wie kann dieser Entwicklung kurzfristig entgegengewirkt werden? Laut Bellwinkel gestaltet sich dies als eher schwierig bis unmöglich. Denn durch die kontinuierliche Bürokratisierung und zeitaufwändige Genehmigungsverfahren ist ein beherztes Herumreißen des Ruders nicht möglich. Die einzige Chance sieht der Apotheker in der sofortigen Abschaffung des Arzneipreis-Deckels, damit Deutschland auf dem Arzneimittel-Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben kann und somit genug Ware eingekauft werden kann.