Die Hälfte der 1.200 Kilometer hatten die 20 starken „Kaltblüter” schon in den Beinen, als sie auf dem Reiterhof von Stefanie und Horst Söffker in Kleinenwieden einen Tag Rast einlegten. Genüsslich ließen sie sich auf den saftigen Wiesen verwöhnen und genossen das frische Wasser. Nicht ohne Grund werden die Kaltblutpferde aus dem brandenburgischen „Fläming” mit Hingabe gepflegt, denn sie haben Planwagen zu ziehen, von denen jeder allein 1 Tonne Eigengewicht auf die Waage bringt. Die Planwagen wiederum gehören zu einem originellen Großevent, das über acht Wochen, von Brügge in Belgien gestartet, quer durch Duetschland bis ins brandenburgische Brück geht. Mit dem Treck „Titanen on Tour” wollen die Brandenburger an ihre flämischen Wurzeln erinnern: Vor 850 Jahren machten sich Flamen, Holländer und Seeländer auf den Weg in den slawischen Osten, um neue Dörfer zu gründen, Land urbar zu machen und zu Wohlstand zu gelangen. Dieser Region südwestlich von Berlin gaben sie sogar ihren Namen, sie heißt noch heute „Fläming”. Anlässlich des Jubiläums der Besiedlung startete am 2. Mai der Planwagen-Treck in Brügge. Am Ende der 1.200 Kilometer wartet am 27. Juni in Brück das Kaltblut-Sportevent „Titanen der Rennbahn”. „Dieses Spektakel veranstalten die deutschen Initiatoren des Trecks, der Kaltblutzucht- und Sportverein Brück seit 2002 in jedem Jahr”, so Dieter Habermann aus Potsdam, einer der Mitorganisatoren des Trecks. Vor einem Jahr wurde die Idee geboren, als man in den Vorbereitungen für die 850-Jahr-Feier steckte. Der nur 30 Mitglieder starke Verein erinnerte sich an die Siedler und wollte die Geschichte „nachspielen”. Das einzigartige Treck-Event unter der Schirmherrschaft des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck wird im Europäischen Jahr 2009 mit den Schwerpunktthemen Kreativität und Innovation und der Wahl zum Europaparlament auch in Belgien unterstützt. Veranstalter und Förderer gleichermaßen wollen ihren Beitrag zum kulturellen Austausch, zum Kennenlernen von Menschen aus verschiedenen Regionen sowie der Förderung der europäischen Integration leisten. Deshalb auch das Motto: „Titanen on Tour – Europa erfahren, Geschichte erleben”. Unterstützt wird die Fahrt von Organisatoren und Unternehmen in Belgien und Deutschland sowie von Freunden der Kaltblutpferde in ganz Europa. Der Weg führte von Brügge in Flandern auf historisch belegten Routen über Gent, Brüssel, Maastricht nach Eupen zur deutschen Grenze. Von dort ging es in Tagesetappen von bis zu 30 Kilometern weiter über Aachen, Köln, Bochum, Paderborn und Rinteln nach Kleinenwieden. Hier wartete nicht nur frisches Gras auf die Pferde, der Vorsitzende des Kreisreiterverbandes Schaumburg, Heiner Thies, begrüßte die Teilnehmer mit zwei Fässern heimischen Bieres und wünschte für die Weiterreise viel Glück. Über Hildesheim, Braunschweig und Magdeburg werden die 10 Wagen bis nach Brück (im brandenburgischen Teil des Fläming) weiterrollen und dort sicher begeistert empfangen werden. Zur Region des Fläming zählen heute fünf Landkreise in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Die Geschichte der Besiedlung des Landstrichs durch die Flamen, der dadurch seinen Namen „Fläming” erhielt, begann mit dem Askanierfürst und Markgraf von Brandenburg, Albrecht der Bär. Er suchte mit Erzbischof Wichmann nach der gemeinsamen Eroberung des slawisch besetzten Landes tüchtige Einwanderer. Seine Kundschafter fanden in Flandern und Holland Interesse, viele Menschen folgten seinem Werben. Sie entflohen damit den stürmischen Witterungsverhältnissen an der Nordsee, den durch Vererbung immer kleineren Höfen und erlagen auch dem geschickten Verhandeln der Kundschafter, die mit Versprechen nach neuem Wohlstand lockten. In langen Trecks kamen die ersten Siedler um 1159 in der neuen Heimat an. Dort erschlossen sie mit ihren innovativen landwirtschaftlichen Geräten wie dem Wendepflug die Wildnis, gründeten Dörfer und bauten Kirchen. Vielfach nannten sie die neuen Siedlungen nach ihrem alten Zuhause. So hat der Name Brück vermutlich seinen Ursprung in Brügge. Und so wurde der Landstrich zum „Fläming” und durch den Treck in Europa bekannt. Foto: tt
Nach 1.200 Kilometern wird der Treck im brandenburgischen Brück erwartet.