Was früher den ganzen Tag mit der Familie gesprochen wurde, gerät mehr und mehr in Vergessenheit, weil immer weniger Menschen die plattdeutsche Sprache sprechen oder verstehen. Ein Gesprächskreis, der sich auf Initiative des Heimatverein Wunstorfs einmal im Monat trifft, versucht das zu verhindern. „Ob Essen und Trinken, die letzten Urlaubsreisen, Geschichten aus der Heimat oder aus der Kindheit: Wir unterhalten uns hier über alles“, sagt Norbert Tornow, der den Kreis seit neun Jahren leitet.
Rund 20 Personen aus Wunstorf und Umgebung waren der Einladung des Heimatvereins zum jüngsten Treffen gefolgt, um in der Heimat-Info im Keller des Rathauses miteinander Platt zu „snacken“ (sprechen). Die Treffen finden dabei jeden dritten Freitag im Monat ab 10.30 Uhr statt.
Während der Treffen wird viel gelacht, auf Platt geredet oder auch mal eine selbst geschriebene Geschichte vorgelesen. So erzählte der 88-jährige Karl Senne aus Idensen an jenem Freitag humorvoll eine Geschichte, in der es um ein verlorenes Gebiss geht, das der „Lehrmeester“ (Lehrmeister) eines „landwertschaplich Bedriefs“ (landwirtschaftlichen Betriebes) verlegt hatte und das nun nicht mehr aufzufinden war. „Hitt dat etwa en Koh freten?“ (Hat das etwa eine Kuh gefressen), fragte Senne und erhielt dafür lautes Lachen.
Viele der Teilnehmenden sind mit der plattdeutschen Sprache groß geworden – so auch Siggi Utz-Tafelski. Die 66-Jährige ist im Oldenburger Land aufgewachsen, bevor sie vor 30 Jahren nach Klein Heidorn zog. „Meine ganze Kindheit haben wir nur Platt gesprochen, doch als wir in die Schule kamen, hieß es, dass nur die dummen Leute Platt sprechen“, sagte sie. Das Hochdeutsch nahm in der Schule die Überhand und die plattdeutsche Sprache wurde immer mehr verdrängt. „Aber deshalb bin ich sehr froh, dass es hier dieses Angebot gibt und wir so eine lustige Runde sind“, sagte Utz-Tafelski. Denn: „Nirgendwo anners vertell ik Platt” (Nirgendwo anders spreche ich Platt), sagte sie. „Dabei ist es eine amüsante und liebevolle Sprache, die nicht aussterben darf“, ergänzte Teilnehmerin Marlene Ohst.
Der Gesprächskreis wurde vor zwölf Jahren gegründet. „Seitdem sehe ich hier viele bekannte Gesichter“, sagte Tornow. Dennoch freue sich der Kreis immer auf neue und vor allem auch junge Gesichter, denn am Gesprächskreis kann jede und jeder teilnehmen. Das Sprechen ist dabei keine Voraussetzung, man kann auch einfach nur zuhören – damit die Sprache nicht in Vergessenheit gerät.
Versuche des Heimatvereins, die Sprache in Form einer Arbeitsgruppe oder eines einstündigen Unterrichtsfaches an die Schulen zu bringen, seien gescheitert. Die Schule sei deshalb kein Anlaufpunkt dafür, der Sprache wieder auf breiterer Ebene Gehör zu verschaffen, sagte Tornow. Doch einfach abzuwarten, sei ebenfalls nicht der richtige Weg. „Wichtig ist, dass man etwas Aktives macht, um die Sprache wieder bekannter zu machen“, sagte er. So sollen demnächst wieder Stadtführungen auf Plattdeutsch angeboten werden. Der nächste Gesprächskreis findet am 19. April statt.
Erst vor Kurzem ist zudem der zweite Band von „Plattdeutschen Geschichten ut Wunstörpe un Öberall“ von Wunstorfer Heinz-Jürgen Baumgarten erschienen (wir berichteten). Das Buch ist zu den üblichen Öffnungszeiten im Heimat-Info im Rathaus zu bekommen.