Früher war sie die Armengasse der Stadt, heute das Wunstorfer Schmuckkästchen und die wohl älteste Wunstorfer Straße: die Wasserzucht, mit ihrem restaurierten Gebäudeensemble. An die wechselvolle Geschichte der Häuser erinnerten drei Eichenpfähle am Haus Wasserzucht Nummer 26, die jetzt sang- und klanglos verschwunden sind.
Diese Pfähle wurden vom Architekten Adolf Heider im Bereich des ehemaligen Verlaufs der Westaue am Nordwall aufgestellt, um an die wechselvolle Geschichte dieser Häuser zu erinnern, nachdem weder vonseiten der örtlichen Politik noch der Stadtverwaltung ein konkretes Interesse daran bekundet und auch keine Entscheidung zum Verbleib der Pfähle getroffen wurde. Dem Engagement des Architekten ist es zu verdanken, dass das historische Häuserensemble zur Sehenswürdigkeit wurde. Heider setzte sich in den 80er Jahren für die Sanierung ein und ließ sich von diesem Ziel nicht abbringen, auch dann nicht, als viele Wunstorfer, darunter auch Kommunalpolitiker, der Häuserzeile an der Wasserzucht keine Zukunft mehr gaben, sondern für einen Abriss votierten.
Anfang dieses Jahres streckte sich nur noch einer dieser spitz zulaufenden Pfähle halbwegs in die Höhe – und ganz offensichtlich seinem Ende entgegen. Denn inzwischen ist auch von ihm nichts mehr zu sehen. Alle drei historischen Objekte sind verschwunden. Es handelte sich um sogenannte Gründungspfähle, die Heider während der Ausschachtung zur Grundsanierung am Haus Wasserzucht 26, zusammen mit Findlingen, freilegte. „Es wurde vermutet, dass es sich hierbei um Reste der alten Wallanlage von Wunstorf handelt“, erklärte Heider gegenüber dieser Zeitung.
Für den Architekten hatte die Weiternutzung vorhandener Baumaterialien immer Priorität. So wurden aus dem alten Sandsteinfundament die Basaltquader freigelegt, die als Sockel erneut Verwendung fanden. Das Fachwerk wurde entkernt und teilweise abgetragen. Nicht mehr verwertbares Material wurde ersetzt und der Aufbau nach historischem Vorbild in die Umgebung eingepasst. Deshalb sollten auch die Gründungspfähle vor diesem Haus einen Platz bekommen.
„Ich bedaure es sehr, dass diese Pfähle nicht mehr Beachtung und Pflege erfahren haben“, erklärt Heider. Er selbst konnte sich nicht mehr darum kümmern. Passanten stoppten hin und wieder fragend vor den Pfählen, denn ein Hinweisschild mit Erläuterungen fehlte, „obwohl es vor Jahren vom Heimatverein vorgeschlagen wurde“, so der Architekt. Nicht umgesetzt wurde auch der Vorschlag des damaligen Stadtbaurates Hartwig Kremeike, der diese Pfähle innerhalb der Wasserzucht einen besonderen Platz geben wollte.
Vor rund zwei Jahren sprach der Autor dieses Artikels mit Wunstorfs Ortsbürgermeister Thomas Silbermann über die Frage nach Möglichkeiten zum Erhalt dieser historischen Pfähle. Für ihn waren die Pfähle zunächst „neu“, aber er versprach, sich darum zu kümmern. Da es von ihm – trotz mehrfacher Nachfrage – bis zu Beginn dieses Jahres keine Rückmeldung gab, wandte sich der Autor an den städtischen Bauamtsleiter Alexander Wollny, der die Frage umgehend aufgriff, recherchierte und folgendes mitteilte: „Danach verhält es sich so, dass die Pfähle im Rahmen des Anbaus Stadttheater aus dem Boden entnommen werden mussten. Es gab in der Folge eine Diskussion hinsichtlich der weiteren Verwendung der Pfähle. Die Stadt Wunstorf hat sich am Ende dazu entschieden, die Pfähle nicht in einer aufbereiteten Form im öffentlichen Raum zu erhalten“, schreibt Wollny, und weiter: „Es gab dann einen weiteren Gesprächsstrang zwischen dem Baureferat und dem Architekten, Herrn Heider, der die Maßnahme begleitet hat. Es wurde vereinbart, dass Herr Heider einen Teil der Pfähle bekommt, um sie im privaten Raum (seinem Grundstück) aufzustellen. Der Standort entspricht dem Verlauf der alten Westaue. Nach Verlegung der Westaue wurde die Fläche je zur Hälfte der Stadt Wunstorf und den Anliegern übertragen. Die Pfähle stehen nach Kenntnis der Stadt Wunstorf auf dem Grundstück des Architekten Heider. Es handelt sich bei den Pfählen um eine private Installation. Eine Unterhaltung der Stadt Wunstorf erfolgte aus diesem Grunde nicht.“
Da gehen zunächst die Meinungen über die Herkunft und die Zuständigkeiten auseinander, was die Gründungspfähle aus der Wasserzucht betrifft. Ein Interesse seitens der Politik oder Verwaltung an diesem Engagement des Architekten gab es offenkundig nicht. Das geschichtsträchtige Objekte der Stadt nach einiger Zeit aus den Augen verloren werden und einfach „verschwinden“, scheint kein Einzelfall zu sein, wie diese Zeitung durch Recherchen erfuhr. Gründungspfähle der alten Brücke zwischen Stadt- und Stiftskirche zum Beispiel, die man beim Straßenausbau des „Stadtgrabens“ zur Bundesstraße freilegte, wurden auf dem Grundstück des Baubetriebshofes eingelagert. Ebenso ein in der Langen Straße vom damaligen Heimatvereinsvorsitzenden Armin Mandel freigelegter mittelalterlicher Holzbrunnen. Irgendwann war all das nicht mehr auffindbar.