Überarbeiteter Klinik-Atlas bleibt fragwürdig | Schaumburger Wochenblatt

Überarbeiteter Klinik-Atlas bleibt fragwürdig

Das Klinikum schrieb für 2023 erstmals eine schwarze Null. (Foto: Agaplesion)
Das Klinikum schrieb für 2023 erstmals eine schwarze Null. (Foto: Agaplesion)
Das Klinikum schrieb für 2023 erstmals eine schwarze Null. (Foto: Agaplesion)
Das Klinikum schrieb für 2023 erstmals eine schwarze Null. (Foto: Agaplesion)
Das Klinikum schrieb für 2023 erstmals eine schwarze Null. (Foto: Agaplesion)

Der Bundes-Klinik-Atlas, bereitgestellt vom Bundesministerium für Gesundheit, ist eine Plattform, die detaillierte Informationen über Krankenhäuser in Deutschland anbietet. Der Atlas ist dabei Mitte Mai mit der Idee gestartet, eine wertvolle Ressource für Patienten zu sein, um sich Informationen über Krankenhäuser einzuholen – hat aber seither schon viel Kritik einsteckten müssen und wurde daher auch schon mehrfach vom Bund überarbeitet. Sowohl die Neuerungen als auch die Art der Datenpräsentation haben verschiedene Meinungen hervorgerufen. Nach dem jüngsten Update wurden die Daten und deren Präsentation überarbeitet, was teils auf positive Resonanz, teils aber auch auf Kritik stieß. Dieser Artikel beleuchtet die zentralen Fragen und Kritikpunkte, die seit dem letzten Update im Juni aufgekommen sind. Wir haben uns dazu beim Träger des Agaplesion Klinikum Schaumburg schlau gemacht, wie man dort die Änderungen einschätzt.

“Grundsätzlich befürworten wir das Ansinnen des Bundesgesundheitsministeriums, Transparenz herzustellen und ein umfassendes Informationsportal für Patient:innen zu schaffen”, unterstrich Klinik-Pressesprecherin Jana Pape: “Allerdings, auch wenn auf der Startseite der Homepage bundes-klinik-atlas.de darauf hingewiesen wird, dass der Bundes-Klinik-Atlas ein umfassendes Update erhalten und Suchkriterien nutzerfreundlicher umgestellt wurden, empfinden wir den Klinik-Atlas in dieser Form weiterhin als frag- und verbesserungswürdig.” Durch das Deutsche Krankenhausverzeichnis, Angebote der Krankenkassen und auch durch die Qualitätsberichte der Krankenhäuser bestehe bereits Transparenz, sodass durch den Klinik-Atlas zum jetzigen Zeitpunkt kein nennenswerter Mehrwert entstehe. “Im Gegenteil: Wir erachten es als problematisch, wie die Daten im Klinik-Atlas verarbeitet sind”, so Pape.

Die Referentin erklärt das an Beispielen aus ihrem Klinikalltag. So bedeute das für das Agaplesion, dass die Geriatrie, die Pneumologie und die Palliativeinheit im Atlas gar nicht gesondert aufgeführt werden bzw. unter der Inneren Medizin zusammengefasst werden. Die Handchirurgie wird ebenso wenig erwähnt wie die Viszeralchirurgie. “Des Weiteren verfügt unser Klinikum über folgende chefarztgeführte Abteilungen: Anästhesie-, Intensiv- und Notfallmedizin und Spezielle Schmerzmedizin, Radiologie und Zentrale Notaufnahme – dies wird über den Klinik-Atlas nicht abgebildet und führt dadurch zu Fehlinformationen für die Patient:innen.”

Fallzahlen und der Pflegepersonalquotient Es entsteht ein falscher Eindruck über die Qualität des Krankenhauses

Insbesondere die Methodik zur Darstellung der Fallzahlen und der Pflegepersonalquotient wurden hinterfragt. Laut Kritikern könnten die vereinfachten Darstellungen und die pauschalen Angaben bei niedrigen Fallzahlen zu Missverständnissen führen und die tatsächliche Leistungsfähigkeit eines Krankenhauses nicht adäquat widerspiegeln. Zusätzlich wird beispielsweise bei dem angezeigten Pflegepersonalquotienten (PPQ) nicht berücksichtigt, welche Aufgaben der Pflege zugeordnet sind und welche durch andere Berufsgruppen übernommen werden, um die Pflegekraft am Bett der Patient:innen zu entlasten. Man hat sich daher schon in Vehlen viele Gedanken gemacht, wie es besser sein könnte - allerdings hat die Klinik keinen Einfluss drauf, wie etwas angezeigt wird. “Ein umfassender Ansatz zur Qualitätsmessung sollte verschiedene Faktoren berücksichtigen, einschließlich der Patient:innenzufriedenheit, der Qualifikation des Personals, der Pflegebedürfnisse der Patient:innen und der organisatorischen Effizienz. Der Einsatz von Technologien wie elektronische Patient:innenakten, Telemedizin und automatisierte Medikation kann die Pflegequalität erheblich verbessern und die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte reduzieren, was im Pflegepersonalquotienten nicht berücksichtigt wird.” So ein System gibt es im Übrigen zum Beispiel bei Reha-Einrichtungen, dort wird auch die Zufriedenheit exemplarisch abgefragt. Grundsätzlich hat die Angabe des Pflegepersonalquotienten auf das Gesamthaus bezogen zusätzlich keinerlei Aussagekraft für die Qualität der Versorgung in einer bestimmten Fachabteilung, dies gilt auch mit Blick auf die gesetzlich einzuhaltenden Pflegepersonaluntergrenzen.

“Wir haben in den letzten Jahren an unserem neuen Klinikstandort knapp 120 zusätzliche Vollkräfte im Bereich der Pflege gewinnen können. Im Jahr 2023 ist der PPQ weiter gesunken, so dass dieser mittlerweile nicht mehr unterdurchschnittlich ist.” Wir unterstützen die Abbildung von Zertifizierungen als wichtige Patient:innen-Information, allerdings besteht aus unserer Sicht auch hier Verbesserungsbedarf, da z. B. unsere Zertifikate als „Babyfreundliche Geburtsklinik“ und als zertifizierte “Chest Pain Unit” oder spezielle Qualifikationen unseres Personals nicht abgebildet. Die Diskussion um die neuen Zertifikate dreht sich vor allem darum, ob diese auch nur ansatzweise die Qualität der Behandlung oder nur die Einhaltung formaler Kriterien darstellen. Während Zertifikate wie die der Deutschen Krebsgesellschaft einen hohen Stellenwert haben, bleibt unklar, ob andere Zertifikate dieselbe Aussagekraft besitzen. Insgesamt zeigt sich, dass der Bundes-Klinik-Atlas zwar eine wichtige Informationsquelle ist, aber weiterhin Verbesserungsbedarf besteht, um die Transparenz und Aussagekraft der Daten für Patienten zu erhöhen. Die Diskussionen um die Methodik und die dargestellten Daten verdeutlichen die Komplexität der Gesundheitsversorgung und die Notwendigkeit klarer und genauer Informationen für die Bürger.

Kommentar zum Bundes-Klinik-Atlas: Der blindfliegende Patient

Ach, der Bundes-Klinik-Atlas! Ein Werkzeug, das Bürgern helfen soll, sich über die Qualität der Krankenhäuser zu informieren – zumindest in der Theorie. Praktisch gesehen fühlt sich die Nutzung jedoch eher an wie der Versuch, ohne Kompass durch einen dichten Nebel zu navigieren. Die Meldepflicht für Krankenhäuser wurde ja rechtlich fixiert, und man könnte meinen, dass das alles für mehr Transparenz sorgt. Doch der Realitätsschock folgt auf dem Fuß: Anstelle klarer, verständlicher Daten sieht man so gut wie nichts. Wer soll daraus schlau werden?

Statt übersichtlicher Informationen, die dem Durchschnittsbürger gibt es ein paar Zahlen. Von der vermeintlichen Nutzerfreundlichkeit keine Spur – eher eine Reise in die digitale Steinzeit. Man fühlt sich beinahe an die Bürokratie eines Kafka-Romans erinnert, denn es gibt nicht viel zu sehen, solang man keien Einordnung findet. Doch statt Kafkaesker Albträume wünscht man sich doch nur klare Fakten: Wie gut ist das Krankenhaus? Was meinen ehemalige Patienten? Sind die Ärzte kompetent? Wie hoch sind die Hygienestandards? Wo gab es Beschwerden?

Liebe Verantwortliche, ein kleiner Tipp: Ein bisschen mehr Bürgernähe und Einfachheit wären nicht verkehrt. Denn der Atlas, der uns das Gesundheitswesen näherbringen soll, führt derzeit eher in eine Sackgasse als auf den richtigen Weg.


Nadine Dressler
Nadine Dressler

Redakteurin Schaumburger Wochenblatt

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