Rituale und Traditionen bilden ein wichtiges gesellschaftliches Verbindungselement, sie müssen gelebt werden und unterliegen stetem Wandel. Schützenfeste gehören zum öffentlichen Brauchtum, auch wenn in den letzten Jahren mancherorts Teilnehmerzahlen rückläufig waren. Ursprünglich führten die unruhigen Zeiten zur Gründung der späteren Schützengilden. Seit dem 15. und 16. Jahrhundert übten sich aus Sachzwängen städtische Bürger in der Handhabung von Waffen. Das war eine ebenso notwendige, wie oft ungeliebte Pflicht.
Daraus entwickelte sich ein bürgerliches Selbstverständnis, ein Recht des freien Bürgers. Alle Feste und Vereinigungen dieser Art gründeten einst auf bürgerschaftliche Not- und Hilfsgemeinschaften, sei es zur Verteidigung gegen äußere Feinde, zur Sicherstellung der öffentlichen Ordnung, oder zur Brandbekämpfung. Dazu gliederte man sich in den Stadtteilen nach Quartierschaften, in Kompanien und Rotten. Anfangs stand noch die Verteidigung und Bewachung der Stadtmauern mit Armbrust und Blankwaffen, dann mit Feuerwaffen im Vordergrund. Man schoss zur Übung auf hölzerne Vögel, später auf Ringscheiben. Die Freistellung von Abgaben und Steuern auf ein Jahr war damals der Leistungsanreiz für die besten Schützen. Angesichts heutiger Belastungen ein wieder nachvollziehbarer Aspekt. Das Schützenfest in Stadthagen (spätestens seit dem frühen 15. Jh.) und das bis Mitte des 16. Jahrhunderts zurückreichende Fest in Bückeburg, haben hier ihre Ursprünge.
Oft sind die Anfänge nicht eindeutig aktenkundig belegt. Zur weiteren Entwicklung bemerkte Meyers Konversationslexikon 1889 ernüchternd „mit dem Aufhören ihres ursprünglichen Zwecks verloren die Schützengesellschaften nach und nach ihre Bedeutung und sanken zu bloßen Vergnügungsgesellschaften herab“. Das lag auch an der Ausprägung absolutistischer Landeshoheit, die das Kriegs- und Waffenhandwerk seit dem 17. Jahrhundert mit Söldnern und Berufsmilitärs zentralisierte. Die Bürger wurden erst im 19. Jahrhundert, im Rahmen einer Allgemeinen Wehrpflicht (seit 1871 in ganz Deutschland), wieder zu den Waffen gerufen. Den Landesherren waren bürgerliche Waffenübungen zeitweilig eher suspekt, galten sogar als Vorboten der Revolution. Die Schützenfeste gerieten in Verruf. Ende des 19. Jh. belebte sich das Brauchtum langsam wieder.
In den Städten blieben Schützenvereine vor allem eine Sache der „besseren Kreise“ des Bürgertums. Die tradierte Überzeugung, daß nur der männliche Teil der Bevölkerung „waffenfähig“ und damit zur Teilnahme am Schützenwesen berechtigt sei, blieb unangefochten. Der politisch- gesellschaftliche Wandel formte das Brauchtum allmählich vom wehrhaften in einen gemeinschaftsbildenden und erhaltenden Zweck um. Neben gesellige und nachbarschaftliche traten auch karitative Ziele. Mit der Öffnung militärischer Laufbahnen für Frauen und „gemischten“ Abordnungen der Bundeswehr bei Schützenfesten, wird die bisherige männliche Exklusivität des Brauchtums zunehmend fragwürdig. Gewachsene Traditionen lebendig fortzuführen, Bewährtes zu erhalten, eingetretenen Veränderungen aber mit Augenmaß Rechnung zu tragen, wird dem Fortbestand dieser bürgerlichen Festkultur eher zuträglich sein. Nur, werte Damen oder „Schützenschwestern“, es muss ja bitte nicht gleich im Exerzier- oder Paradeschritt mitmarschiert werden… Wie immer bleibt es letztlich eine Stil- und Formfrage, eine Sache der Angemessenheit.