„Man kann die Brennnessel gut zu Grundnahrungsmitteln verarbeiten. Sie hat in der Trockenmasse mehr Eiweiß als die Sojabohne, sieben Mal mehr Vitamin C als Orangen und dreimal mehr Calcium als Milch”, sagt die Wildkräuter-Expertin. Außerdem schmecken Brennnesseln relativ neutral und können sowohl herzhaft als auch süß zubereitet werden. Brennhild ist gegen jedes Dogma. „Wir verreisen, andere Kulturen kommen zu uns, wir haben einen ständigen Austausch. Ich denke, wir müssen unser Essverhalten einfach grundsätzlich überdenken.” Ernährungsweisen sind kulturell geprägt und nicht unbedingt so, wie es die Natur vorgesehen hat. „Zur Zeit der Römer beispielsweise wollten sich die Menschen von der Natur abheben und erfanden das Brot. Es war das erste Handgemachte, was uns von den Tieren unterschied”, sagt Brinkmann. Das erste selbstproduzierte Nahrungsmittel also. Ihre Idee: Getreideprodukte mit Kräutern anreichern. Eine Tradition ist es auch Kaffee und Kuchen bei gesellschaftlichen Zusammenkünften zu servieren. „Da kann man praktisch gar nicht ausbrechen, dass sind gruppendynamischen Prozesse. Das ist aber genau das, was ich bewegen möchte. Einfach mal bei frischgezogenem Kräutertee und Obst zusammen sitzen”, so Brennhild. Wie sieht eigentlich der Speiseplan einer Sozialwissenschaftlerin der Ernährung und Ökologie aus, möchte ich wissen. „Ich esse fleischarm, möglichst nur den Sonntagsbraten oder das Steak im Restaurant. Und ich koche einfache und schnelle Gerichte, naturbelassen, die ich dann mit passenden Kräutern aus dem Garten interessant mache. Es sollte unbearbeitet schmecken”, antwortet die Deckbergerin. Es gehe ihr nicht um Kräuter wegen irgendwelchen Wehwehchen, sondern darum herauszufinden, wie man sich im alltäglichen Ablauf natürlicher und gesünder ernähren kann. Ihr ganzes Leben auf Fleisch verzichten, würde sie nicht. Ihrer Meinung nach, müsse mehr heimisches Wild gegessen werden. In der Steinzeit hat sich der Mensch von den pflanzlichen und tierischen Produkten ernährt, die ihm zur Verfügung standen. Heute noch gibt es verschiedenste Naturvölker die sich zu 80 Prozent pflanzlich ernähren, manche ganz vegetarisch, aber auch die Inuit, die rohes Fleisch verzehren.
„Wir laufen rum, wie programmierte Maschinen. Schon im Kindesalter werden wir von den Medien in unserem Essverhalten beeinflusst”, sagt Birgit Brinkmann. Statt mit gesundheitsschädlichen Produkten schon in Kindersendungen zu werben, müsse man endlich die gesundheitsfördernden Ernährungsmöglichkeiten in den Medien kommunizieren, regt die Sozialwissenschaftlerin an. Die Lebensmittelindustrie dürfe nicht mehr so ein Ellenbogenkampf sein, die Unternehmen sollten sich vernetzen und von ihren Standorten gegenseitig profitieren. „Wir leben in einer Risikogesellschaft und trotzdem denken die Konsumenten, dass wird alles geregelt. Es gibt Verordnungen, Hygienevorschriften, Kontrollen, Gutachten. Doch wer das alles kontrolliert und bezahlt, was alles für Kungeleien passieren, dass kommt jetzt erst so nach und nach heraus. Man verlässt sich darauf, weil es entlastet. Man kauft ein Produkt und das kann man erst Mal ein Jahr irgendwo hinlegen und wenn man Lust drauf hat, holt man es aus der Ecke raus. Statt selbst Verantwortung für das eigene Essverhalten zu übernehmen, lässt der Mensch die Wirtschaft, Machtpolitik und Medien bestimmen, was er zu sich nimmt. Trotzdem: In einen Bio-Laden geht Birgit Brinkmann nicht, für sie reicht der normale Supermarkt. Sie allerdings die als Bio deklarierten Produkte ein. Ihre Hauptbeschäftigung dort sei es, die Zutatenliste auf den Produkten zu studieren. „Es wird immer schwerer Lebensmittel ohne Zusätze zu finden”, sagt Brennhild.
Ich dippe gerade den veganen Brenni in den Ajvar. Es knuspert. Es schmeckt salzig. Nach Mandeln. Durch den Dipp auch nach Paprika. Veganer Brenni, ja, kann man essen. Übrigens: Noch mehr Fotos vom Treffen mit Birgit Brinkmann und ihren selbstgemachten Leckereien sowie weitere Infos zu ihr gibt es auf meinem Blog www.vegan-projekt.de. Foto: wa