Nach 140 Jahren Tradition steht die Schaumburger Brauerei vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Der Fachanwalt für Insolvenzrecht, Sascha Bibiha, der dem Unternehmen derzeit als Gutachter zur Seite steht, geht von einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Amtsgericht Bückeburg aus.
Bislang sind keine Löhne und Gehälter rückständig und auch die Auslieferung der Waren geht weiter. Wichtig ist zunächst die weitere Versorgung mit Rohmaterialien, damit der Betriebsablauf wie gehabt fortgeführt werden kann. „Wir sind lieferfähig”, versichert Friedrich Wilhelm Lambrecht, Geschäftsführer der Brauerei. „Die Verträge mit Kunden und Gastronomen laufen weiter.”
Nach ersten Gesprächen mit den rund 30 Mitarbeitern zeigen sich diese solidarisch gegenüber dem Unternehmen, auch wenn es für die meisten ein ziemlicher Schock war, wie Betriebsrat Friedrich-Wilhelm Sölter berichtet. „Die Mitarbeiter stehen hinter dem Betrieb, wir hoffen, dass unsere Arbeitsplätze erhalten bleiben”, so Sölter weiter.
Als Ursache für den Antrag auf ein vorläufiges Insolvenzverfahren führt Lambrecht einerseits die allgemeine Situation auf dem deutschen Markt, zum anderen die besondere Situation in Schaumburg an: die Abwanderung von Kaufkraft.
Diese Entwicklung zeigt sich im Landkreis schon seit Jahren. Aktuell bei Faurecia. „2500 Arbeitsplätze haben wir allein in Stadthagen in den letzten 15 Jahren verloren”, so Stadthagens Bürgermeister Bernd Hellmann. Durch die Abwanderung von gut bezahlten Fachkräften geht die Kaufkraft immer weiter verloren. Die Schaumburger Brauerei ist sowohl ein weiteres Indiz, als auch Opfer dieser Tendenz.
Und nicht nur, dass Arbeitsplätze verloren gehen und die Fachkräft abwandern: Ein Problem ist auch, dass viele gut ausgebildete junge Menschen den Landkreis verlassen, da sie nach der Schule hier keine Perspektiven haben. Somit sinkt die Kaufkraft im Kernmarkt Schaumburg zusehends.
Hellmann zeigt sich betroffen von der schlechten Nachricht um die drohende Insolvenz der Brauerei. „Ich hoffe, es gibt eine Lösung, um die Arbeitsplätze langfristig zu erhalten.”
„Die Schaumburger Brauerei ist ein Traditionsunternehmen in Schaumburg”, so Hellmann in der Hoffnung, dass die Marke fortbesteht. Sie sei ein Imagefaktor für den Landkreis Schaumburg.
Gerade im frühen Eingreifen Lambrechts sehen alle Beteiligten eine Chance: Noch ist die Brauerei nicht im Rückstand mit ihren Zahlungen, es handelt sich um eine drohende Zahlungsunfähigkeit. Zwar lägen Kundenrechnungen vor, es gäbe aber keine Mahnungen. Auch die Mitarbeiter mussten bislang nicht um ihr Gehalt bangen. Damit dies so bleibt, hat Lambrecht den Insolvenzantrag gestellt. „Während des Verfahrens sind die Gehälter sicher”, erklärt Rechtsanwalt Bibiha.
Ein weiterer Grund für den gesunkenen Absatz des Unternehmens ist der Wandel der Gesellschaft hin zu Trendgetränken. Gerade junge Leute greifen seltener zum klassischen Pils.
Ein Problem für die Privat-Brauereien ist zudem der bundesweit zurückgehende Bierabsatz. Schon 2010 hat die Herrenhäuser Traditionsbrauerei Insolvenz angemeldet, 2012 folgte auch die Härke-Brauerei. „Die großen Brauereien verdrängen die kleineren Unternehmen vom Markt”, erklärt Manfred Tessmann, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Region Süd-Ost Niedersachsen. Grund sei der aggressive Preiskampf. Eine hohe Produktionsrate erlaubt es den großen Konzernen die Preise niedrig zu halten. Die Privat-Brauereien können da nicht mithalten.
Kunden entscheiden sich dann in der Regel für das günstigere Produkt der großen Kette, statt für das teurere regionale Bier. „Die kleinen Brauereien stehen mit dem Rücken an der Wand”, so Tessmann.
Anheuser-Busch InBev ist gemessen am Absatzvolumen die größte Brauereigruppe der Welt. Zu den deutschen Produkten des Unternehmens gehören unter anderem Beck‘s, Gilde, Franziskaner Weissbier, Hasseröder und Löwenbräu. Über 39 Milliarden US Dollar Umsatz hat das Unternehmen im vergangenen Jahr erwirtschaftet.
„Die einzige Chance für Privat-Brauereien ist der Trend zur Regionalität, in einem Preiskampf werden sie nicht gegen die großen Konzerne ankommen”, so Tessmann. Er rät zu einer konsequenten Marketingpolitik „um den Kirchturm herum”.
Die Biere sollten durch ihren speziellen Geschmack und gute Qualität hervorstechen. Durch Qualität und die regionale Nähe könnten die Brauereien den Kunden auch den etwas höheren Preis schmackhaft machen.
Wie geht es jetzt weiter? „Der Erhalt der Marke Schaumburger steht ganz klar im Vordergrund”, so Bibiha.
Lambrecht bleibt Geschäftsführer. Die Mitarbeiter und der Betriebsrat ziehen solidarisch mit dem Betrieb mit. Auch die Kunden stehen weiterhin zu ihrer Marke und mit jedem Schluck wird die Zukunft der Brauerei wieder sicherer. Besonders über den Rückhalt in der Mitarbeiterschaft sind Lambrecht und Sölter erleichtert. „Wenn sich die Mitarbeiter nach der Nachricht krankgemeldet hätten, hätten wir die Solidierung der Brauerei gleich vergessen können.”
Zu einem ersten Gespräch kamen Lambrecht und Bibiha am Dienstag zusammen. Zunächst soll die Fortführung des Unternehmens unter normalen Standards gesichert werden. Auch die Rechtssicherheit der Gläubiger ist ein prioritäres Anliegen. In den kommenden Wochen wird der Rechtsanwalt Bibiha Einblick in das Unternehmen erhalten und ein Gutachten erstellen. Nachdem das Gutachten gemacht wurde, entscheidet das Amtsgericht Bückeburg über den Einsatz eines vorläufigen Verwalters. Foto: ag