Suchergebnisse (Gendern) | Schaumburger Wochenblatt

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Bergmanns Plauderecke
„Was ich schon immer mal sagen wollte…“

Was viele nicht wissen – ich ebenfalls erst im Rahmen meiner Recherchen – das Genderzeichen - und davon gibt es einige- soll die nichtweibliche und nichtmännliche gefühlte Geschlechtszugehörigkeit ansprechen. Natürlich geht es im Kern um die geschlechtsneutrale Verwendung maskuliner Substantive (generisches Maskulinum) in unserer Sprache, das häufig dann zum Einsatz kommt, wenn das biologische Geschlecht gar keine Rolle spielt. Wenn beispielsweise in einem Text die Formulierung „Die Erzieher haben…“ benutzt wird, dann ist damit natürlich die Berufsgruppe gemeint und hat mit dem biologischen Geschlecht absolut nichts zu tun. 2018 wurde verpflichtend eingeführt, dass Personen sich als Geschlecht auch divers eintragen lassen dürfen – das bezieht sich jedoch auf den biologischen Geschlechteraspekt. Soweit zum „Thekenwissen“. Nachdem ich in den Ergebnissen verschiedener Umfragen, unter anderem von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie dem Mitteldeutschen Rundfunk, gelesen habe, dass circa 75 Prozent der Befragten das Gendern ablehnen, habe auch ich mich festgelegt: Solange es für Journalisten nicht vorgeschrieben ist, verzichte ich – weitestgehend – darauf. Im Übrigen waren in den Befragungen bis zu 60 Prozent der Frauen ebenfalls dagegen. Vielfach argumentierten die Gegner des Genderns damit, dass eine aufgezwungene und angeordnete Sprech- und Schreibweise eher Widerstand hervorruft; einmal ganz davon abgesehen, wie es sich anhört, wenn ein Moderator im Rundfunk oder Fernsehen das Gendern durch die Sprechpause vornimmt. „Die Erzieher … Pause … innen…“ In der amtlichen Rechtschreibung existieren die üblicherweise verwendeten Zeichen nicht. Der „Duden“ legte sich in der 28. Auflage von August 2020 fest:“ Es gibt dafür keine Norm!“. So nutzt also jede*r den Doppelpunkt, den Unterstrich, den Bindestrich, den Querstrich oder das Asterisk (nein – nicht Asterix), das Sternchen, wie es ihr/ihm gefällt. Ist es eigentlich egal, ob ich die weibliche oder die männliche Form zuerst nenne? Hannover und Stadthagen haben, wie einige weitere Städte auch, ihre Verwaltung zur Verwendung von gegenderten Schriftstücken verpflichtet. Ob die Verwaltungsmitarbeitenden (die Form empfinde ich tatsächlich als eine akzeptable Alternative) alle damit zufrieden sind, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Mein ganz persönlicher Eindruck ist der, dass durch die teilweise stark politisch-gesellschaftlich geprägte Diskussion das Thema „soziales Geschlecht“ völlig überbetont und viel zu überzeichnet wird. Wir haben weiß Gott genügend Baustellen für das weite Feld der Gleichberechtigung, dass wir uns nicht zwangsweise auch noch damit beschäftigen müssen. Akzeptanz, Gleichberechtigung, Inklusion, Integration und gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit sind nur einige dieser Themen. Tatsächlich schaffen wir mit einer komplizierten gegenderten Sprache neue, zum jetzigen Zeitpunkt sogar unüberwindliche, Hürden für bestimmte Personengruppen. Seheingeschränkte oder blinde Menschen sind auf Screenreader angewiesen. Lediglich der Doppelpunkt wird dabei als Pause erkannt. Alle anderen Zeichen werden als das gelesen, was sie sind. Das widerspricht der Verpflichtung zur Barrierefreiheit. Die Deutsche Sprache ist per se nicht einfach zu erlernen – warum heißt es: „der Junge, das Auto, aber das Mädchen?“ Klar – die Mädchen wären dann ja der Plural. Mit dem Wirrwarr der Gendervorschläge wird es für Lerneingeschränkte – Stichwort Inklusion – oder Einwanderer noch schwieriger. Statt sich am Gendern aufzureiben, sollten wir alle lieber die Werte der Gleichberechtigung leben, die entsprechende Haltung an den Tag legen, Unterschiede akzeptieren und tolerieren und wenn es denn sein muss, in Texten zur Geschlechterneutralität meinetwegen die „Beidnennung“ nutzen. Mit einer solchen Einstellung unterstützen wir den Weg unserer Gesellschaft zu einer Gleichberechtigung sicherlich mehr, als durch die Verwendung von Asterisk and friends (ja– da hätte ich auch ein deutsches Wort benutzen können).
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Bergmanns Plauderecke

Kürzlich las ich einen Artikel über die Diskussion, ob in einem Schaumburger Freibad in der nun beginnenden Saison das Baden mit unbedeckter „weiblich gelesener Brust“ erlaubt werden solle. Nachdem ich den Text ehr uninteressiert quergelesen hatte, nahm ich mir den Inhalt etwas genauer vor. Irgendwie hatte sich da etwas in meinem Kopf eingenistet, was geklärt werden musste. Dann schoss es mir wie ein Blitz durch die Gedanken – was ist eigentlich mit der seit Jahrzehnten gewohnten Formulierung „Oben-Ohne-Baden“ geworden? Ist das nicht mehr erlaubt, das so zu formulieren? Jep, dachte ich mir, auch die nicht von Badekleidung bedeckte männliche Brust ist ja defacto „Oben-Ohne“ – aber jedes männliche Wesen (der verzweifelte Versuch, auch in diesem Text einmal zu gendern) konnte doch und kann wohl auch heute noch, etwas mit der Formulierung anfangen. Beim Stöbern im www fand ich eine Reihe von ähnlich wie in unserem Landkreis gelagerten Fällen; teilweise mussten sich Gerichte mit Klagen von Trägerinnen der weiblich gelesenen Brust auf Gleichbehandlung in Frei- und Hallenbädern auseinandersetzen. Wohl gemerkt – die Frage nach dem Ja oder Nein, dem erlaubt oder untersagt, interessiert mich an dieser Stelle herzlich wenig; vielmehr beschäftigt mich die Frage, was passiert hier eigentlich mit unserer Muttersprache (heißt das überhaupt noch so, oder muss ich jetzt überall den Begriff „Erstsprache“ benutzen)? Ich könnte vermutlich noch eine große Zahl weiterer Beispiele finden – versuchen Sie es einmal im Internet. Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen - wie müssen wir sprachlich auf die kleine Gruppe von Personen reagieren, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, oder die sich „im falschen Körper befinden“? Da passt dann auch die weiblich gelesene Brust nicht mehr. Ich sehe mich gemeinhin als einen sehr toleranten Menschen und selbstverständlich müssen wir als Gesellschaft akzeptieren, wenn sich jemand in seinem naturgegebenen Körper nicht wohlfühlt. Müssen wir aber unsere gewachsene Sprache, die ja, wenn man Personen aus anderen Ländern Glauben schenkt, eine schwer zu erlernenden ist, auf jedwede Situation verändern? Aus berufenem Munde habe ich erfahren, dass Abgeordnete eines Landesparlamentes beim Betreten des Rednerpultes die Begrüßung nicht mehr mit „Sehr geehrter Herr Präsident / wahlweise geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen“ beginnen, sondern sich auf ein „Liebe Alle“ beschränken – vermutlich in der Hoffnung, damit „Alle“ zufrieden zu stellen. Die deutsche Sprache hat eine Reihe von Veränderungen hinter sich – 1. Und 2. Lautverschiebung, mittelhochdeutsche Lautverschiebung (aus der Krahi wurde die Krähe)- das fand jedoch über die Jahrhunderte ihre Gründe im Zusammenrücken der Bevölkerung in Deutschland. Aus meiner Sicht quälen wir uns derzeit mit Änderungen, die nur schwer zu akzeptieren sind – und dabei bin ich noch gar nicht beim Gendern angelangt. Mein ganz persönliches Highlight zum „Oben Ohne-Thema“ erlebte ich letztendlich bei einer größeren Veranstaltung im Landkreis, als wir in einer gemütlichen Runde auf das Thema kamen. Eine der beteiligten Frauen (!) meinte, sie sei dagegen, dass Oben Ohne erlaubt würde – schließlich sei es ja nicht immer ein ästhetischer Anblick. Beinahe hätte ich mich an meinem Drink verschluckt und konnte nicht umhin, das Bild eines extrem adipösen Mannes in einem Badestring heraufzubeschwören. Bei dem Anblick stellt sich die Frage nach erlaubt oder verboten definitiv nicht und nach Ästhetik wohl überhaupt nicht. Ich konnte das Bild mit dem Mantra „Hundebabys, Hundebabys, blaue Elefanten, blaue Elefanten…“ verdrängen. Meine Bitte: Lasst uns doch etwas toleranter und entspannter mit der Frage nach der absolut richtigen und politisch korrekten Formulierung umgehen – der Alltag wird es uns danken!
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