Flexibel sein und Umplanen Sollte es für uns eigentlich ins Mittelmeer auf die griechischen Inseln gehen, war Ende April noch nicht mal sicher, ob nach Himmelfahrt überhaupt das Reisen innerhalb Deutschlands wieder möglich sein würde. Die positive Entwicklung bei der Eindämmung der Pandemie machte dies aber seit Mitte Mai endlich wieder möglich: nachdem erst Dauercamper und Ferienwohnungsbesitzer wieder an die Destinationen zurückkehren durften, öffneten neben den Hotels im Bundesgebiet auch die Bundesländer wieder ihre Grenzen für innerdeutsche Touristen. Mit Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein wurden somit auch die wunderschönen Nord- und Ostseestrände Deutschlands wieder besuchbar – Grund genug für meinen Verlobten und mich uns auf eine spontane und dringend benötigte Auszeit an die malerische Ostsee zu begeben. Nicht ohne Zweifel und einigen Sorgen, doch ebenso mit einer Menge Vorfreude und Neugier im Gepäck. Leere Straßen und Parkplätze Aufgrund der günstigen Spritpreise und den leeren Autobahnen entschieden wir uns für einen Roadtrip mit dem Auto. Erwartungsgemäß staute sich der Verkehr rund um Hamburg, dennoch kamen wir auf den noch leeren Straßen gut und entspannt ans Ziel (das sollte sich auf dem Rückweg schon anders gestalten). Als Unterkunft hatten wir eine der zahlreichen Ferienwohnungen in Warnemüne gebucht – die Begrüßung mit den Besitzern musste auf den Handschlag verzichten, aber ansonsten war sie dennoch herzlich. Auch die Familie Rieck sei froh, wieder Gäste empfangen zu dürfen, ebenso wie zahlreiche andere Ferienwohnungsbesitzer in Warnemünde. Selbst die Parkplatzsuche gestaltete sich relativ problemlos – nicht selbstverständlich für das eigentlich zu dieser Zeit nahezu überfüllte Warnemünde. Gastronomie mit neuen Regeln Für den Abend hatten wir bereits vorsorglich einen Tisch in einem Restaurant reserviert – dadurch fielen beim Besuch für uns das Hinterlassen der relevanten Daten flach – diese hatten die Restaurantbesitzer ja bereits. Auch für den folgenden Tag reservierten wir dort einen Tisch,was die Gastwirte mit einem dankbaren Ouzo honorierten. Doch auch Diskussionen mit anderen Gästen, die spontan vorbeischauten und sich weigerten, ihre Daten zu hinterlassen, waren hier an der Tagesordnung. Bis auf den Weg zum Tisch mit Maske war eigentlich alles wie immer und gutes Essen entschädigt selbst dafür. Bei einem abendlichen Besuch in einer Strandbar wurden natürlich ebenfalls Maßnahmen der Betreiber sichtbar: freigelassene Tische zwischen den Gästen oder provisorisch installierte Plexiglasscheiben zwischen Sitzbänken sollen für mehr Sicherheit sorgen. In einer Bar wurde neben Getränken auch gleich ein Desinfektionsspender „mit serviert”. Während einige Gäste umsichtig mit den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen umgehen, nehmen einige diese weniger Ernst oder ziehen sie ins Lächerliche. „Das macht die Situation, besonders wenn Alkohol fließt, natürlich nicht einfacher”, berichtet uns ein Kellner der „Cubar” am Alten Strom. Die Bestätigung dafür sollten wir gleich am nächsten Tag am Strand erhalten. Auch am Strand:Abstand halten! Strandtag:Sonne satt und das Meeresrauschen berieselt einen. Das sorgt für sofortige Urlaubsstimmung. Der Strand und das Meer sind immer an Ort und Stelle und offen für Besucher, daran ändert auch Corona nichts. Noch ist der breiteste Strand der Ostsee recht leer, doch die wieder einfahrenden Fähren und die ersten ankommenden Touristen füllen ihn langsam. Strandkorbverleiher und Strandbarbetreiber freut der rege Zulauf in den ersten Tagen, dennoch bereitet auch hier die von manchen recht locker genommenen Sicherheitsmaßnahmen Sorgen. So vergessen die ersten nach einigen alkoholischen Getränken in der Sonne doch einmal, vom Nebenmann im Sand oder beim Anstehen an der Kasse den Abstand zu bewahren. Dort, wo Abstand halten derzeit nicht möglich ist, müssen die Türen weiter geschlossen bleiben – daher fällt bei diesem Besuch auch eine Stippvisite des Warnemünder Leuchtturms flach. Auch die Robbenstation ist momentan noch nicht für Besucher zugänglich – ganz ohne Abstriche kommt man derzeit auch beim Deutschlandurlaub dann doch nicht aus. Der Sonnenuntergang am Meer und ausgedehnte Strandspaziergänge können dennoch ungehindert stattfinden, sodass sich die Besucher auch über die Einschränkungen schnell hinwegtrösten. Reges Leben in Rostock – mit kleinen Einschränkungen Mit der Bahn ins nahe Rostock – in Corona-Zeiten gestaltet sich auch das etwas anders. Ins Reisezentrum am Bahnhof dürfen nur zwei Personen gleichzeitig, sagt ein winziges Schild am Eingang. Als eine Jugendliche dies übersieht, bekommt sie von der etwas hysterischen Bahnangestellten einen lautstarken Rüffel – etwas übertrieben, aber Regeln sind nun mal Regeln. Im Zug gilt natürlich Maskenpflicht – welche aber nicht von allen eingehalten wird. Kontrollieren tut – zumindest als wir fahren – niemand. Man ärgert sich über die Ignoranz einiger Menschen, aber ändern kann man es eben auch nicht. In der Rostocker Innenstadt angekommen wirkt alles nahezu normal: flanierende Menschen, wohin man sieht. Die Cafés sind gut besucht und Einkaufstaschen werden eifrig durch die Stadt getragen. Doch unbeschwertes Shoppingvergnügen sieht dann doch anders aus – spontane Shopbesuche und langwieriges Anprobieren gestalten sich dann schon etwas anstrengender. In den meisten Geschäften kommen nur eine limitierte Zahl an Kunden herein, was bei manchen Läden zu längeren Schlangen führt. Glücklicherweise bilden sich vor den markanten und sehenswerten Orten in der Stadt keine Schlangen – diese kann man fast ungestört genießen. Doch auch hier mit Einschränkungen: die Dauerausstellung im Köpeliner Tor ist bis Ende Mai noch geschlossen, auch eine interessante Ausstellung von Udo Lindenberg in der Rostocker Kunsthalle wurde verschoben. Glücklicherweise haben die Kirchen wieder geöffnet: Während die Marienkirche mit ihrer schieren Größe und Interior beeindruckt, hat man vom Turm der Petrikirche aus die beste Aussicht über Rostock. Noch nicht die Zeit zum Zurücklehnen Als wir am letzten Urlaubstag am alten Strom entlang schlendern und die inzwischen gut mit Menschen gefüllte Promenade betrachten, überkommt einen für einen kurzen Moment das Gefühl, die Pandemie würde es gar nicht geben. Wohin man sieht, zufriedene Besucher mit Fischbrötchen, die Marktverkäufer bieten frischen Fisch feil wie eh und je und die Fähren nach Schweden und Dänemark passieren im Stundentakt den Neuen Strom. Doch der Schein trügt natürlich: der Virus ist nach wie vor da und gefährlich, auch wenn die zahlreichen Lockerungen fast zum Vergessen verführen. Daher fällt das Fazit nach dieser spontanen Ostseereise zwar positiv aus, macht aber ebenfalls deutlich, dass es noch nicht an der Zeit für die totale Entspannung und das Vergessen der gerade erlernten Regeln ist. Etwas müssen wir – auch im Urlaub – noch zur Stange halten. Foto:nh