Lage, Lage, Lage | Schaumburger Wochenblatt

02.12.2024 14:52

Lage, Lage, Lage

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In aller Munde auf Tour – heute im Ratskeller Rodenberg

Auf die Lage kommt es an, lautet wohl die älteste Immobilien-Regel. Zumindest dann, wenn es um den Erfolg eines Unternehmens oder die Ansprüche von Privatleuten geht. Gute Lagen rechtfertigen hohe Preise, sei es zum Kauf oder zur Miete, weil sich der Erfolg schon einstellen wird.

Damit wären auch für den Ratskeller die Weichen gestellt. Er liegt super, die Immobilie ist ein Prachtstück, und im Restaurant sitzt man wirklich wunderbar. Für die Rodenberger gut zu erreichen, Parkplätze gibt es im Überfluss, und Feste feiern kann man im angrenzenden Saal auch noch. So weit, so gut. Wir waren an einem Samstagabend dort und wurden vom sehr freundlichen Personal begrüßt und in das Obergeschoss gebracht, weil unten alles belegt war. Erst mal eine Flasche Wasser für 5,90 Euro, ein Herforder 0,3 Liter für 3,80 Euro und ein Aperitif für 6,90 Euro. Dann haben wir eine gemischte Fischplatte und ein Lammkarree bestellt, vorweg ein Bruschetta, dazu eine Flasche Wein. Bei den Flaschenweinen kann man sich immerhin von zwei Weinen in der Karte einen aussuchen: Wir haben uns gegen den Chardonnay und für den Weißburgunder vom Winzerhof Ebringen aus Baden entschieden.

Zunächst kam aber unser Bruschetta, auf das ich mich schon gefreut hatte, mit vielen Tomaten, noch viel mehr Knoblauch und leider auch mit geriebenem Schafskäse – das geht gar nicht. Ganz kurze Zeit später kamen die Hauptgänge. Die „Fischplatte“ für 24,90 Euro bestand aus einem ca. 120 Gramm schweren Lachsfilet, zwei Scampi und vier Calamari-Ringen, die genauso intensiv nach Knoblauch geschmeckt haben wie das Bruschetta. Daneben servierte man einen wirklich sehr bescheidenen Beilagensalat. Da in der Küche offensichtlich auf einem Grill gearbeitet wurde, der viel zu heiß war, hatten die Scampi drei und der Lachs sechs schwarze Zebrastreifen. Das Gemüse war viel zu salzig, und die beiden Kreise auf dem Teller mit Balsamicodressing haben wir auch nicht verstanden.

Zum Lammkarree für 25,90 Euro wurden grüne Bohnen und der genauso kleine Beilagensalat gereicht wie zum Fisch. Das Lammfleisch war wirklich prima gebraten und geschmacklich sehr gut, die völlig zerkochten Bohnen aber leider kalt, direkt aus dem Kühlschrank und farblich dem Lammfleisch sehr ähnlich. Meiner Bitte an die Bedienung, sich unbedingt selbst davon zu überzeugen, kam sie prompt mit ihrem Handrücken nach und brachte mir umgehend eine neue Portion, auch verkocht, aber heiß. Und dann kam auch noch die freundliche Bedienung und stellte uns eine Flasche Pfälzer Riesling auf den Tisch, das sei der einzige trockene Wein, ob es der auch sein dürfe.

Inhaber des Ratskellers ist seit September 2023 Constantinos Rose Gidas mit seiner Frau und den beiden Söhnen. Also ein klassischer Familienbetrieb, bei dem am Wochenende auch die Tochter im Service schon mal aushilft und sich an unserem Tisch sehr viel Mühe gegeben hat. Die Homepage des Ratskellers weist auf deutsche und internationale Küche, exzellente Delikatessen und ausgezeichnete Gourmet-Gerichte hin. Uns hat das Angebot mehr an ein klassisch-ländliches Restaurant erinnert, durch griechischen Hauswein, Tzatziki und den intensiven Einsatz von Knoblauch, mit einer erkennbaren Tendenz zur griechischen Küche, zum Souflaki gibt‘s folgerichtig die gute Metaxa-Sauce.

Kurz nachdem wir uns entschieden hatten, den angebotenen Wein zugunsten weiteren frisch gezapften Bieres gar nicht erst zu öffnen, kam der Seniorchef zu uns an den Tisch. Wir hatten gar nicht nach ihm gerufen, das haben wohl die freundlichen Servicekräfte gemacht. Er hat sich für diesen Abend bei uns entschuldigt, mit dem Hinweis auf die nur schwer zu beeinflussenden Köche, die bei stärkerem Geschäft natürlich immer auch ein wenig unter Stress stehen. Er war darüber sichtlich verärgert und enttäuscht, denn die richtige Wahl der Pfannen und Mengen von Salz und Gewürzen habe er ihnen schon hundertmal erklärt. Das hat er so reizend gemacht, dass wir seiner Empfehlung, ein Tiramisu und ein Panna Cotta samt Espresso zu bestellen, nachgekommen sind und, wie sich aber erst später herausstellte, sogar dazu eingeladen wurden. Auch doch ein bisschen international. So nahm die Sache einen versöhnlichen Abschluss, nicht zuletzt durch die spürbare Herzlichkeit.

Es macht viel mehr Spaß, über ein Restaurant zu berichten, in dem alles gut läuft und am besten noch die eigenen Erwartungen übertroffen werden, gerade für jemanden, der seit 40 Jahren in oder für die Gastronomie arbeitet und sich eher als Anwalt für die Gastroszene denn als kritischer Zeitgenosse versteht. Klugscheißer gibt es in dieser Branche schon genug. In Zeiten wie diesen müssen sich aber die Restaurantbetreiber und -betreiberinnen ziemlich strecken, um den aktuellen Herausforderungen zu stemmen. Seien es die hohen Preise für Lebensmittel, Bürokratie bis zur Verzweiflung oder die Personalsuche – überall herrscht maximaler Druck. Und dann sind da noch die Gäste, der letztendliche Schlüssel zum Erfolg.
Und auf diese Gäste können die Gastronomen wirklich stolz sein, denn während und nach Corona und – ganz undeutsch – allen Krisen zum Trotz sind sie bis heute ihren Restaurants treu geblieben und gekommen. Das darf man denen auch gerne mal sagen.

Die prognostizierten mehreren Zehntausend Gastro-Insolvenzen sind ausgelieben. Das langsame Sterben des Berufsbilds Koch kann durch weniger Öffnungstage pro Betrieb einigermaßen kompensiert werden, und den lästigen Verwaltungskram kann man dann auch erledigen. Dieser Erfolg setzt aber voraus, dass eben alles passt – und möglichst immer –, zumal unter den Betrieben längst ein gesunder, aber auch herausfordernder Wettbewerb entstanden ist. Der Ratskeller bekommt von uns natürlich eine zweite Chance. Wir werden also in jedem Fall wiederkommen, nicht nur wegen der guten Lage. Ein sehr schönes Restaurant in guter Lage mit klassischer Küche.

Ratskeller Rodenberg
Lange Straße 42
31552 Rodenberg
Telefon 0 57 23 / 7 86 98 60

Mi. 17.30 – 23.00 Uhr
Do. 11.30 – 14.30 Uhr
17.30 – 23.00 Uhr
Fr.+So. 17.30 – 23.00 Uhr
So.+Feiertage
11.30 – 14.30 Uhr
17.30 – 23.00 Uhr
Mo.+Di. Ruhetag

. (Foto: Christian Kutschera)
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Von Christian Kutschera
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