„Ihr kriegt uns nicht unter“ | Schaumburger Wochenblatt

„Ihr kriegt uns nicht unter“

Jüdische Musik mit der Klezmer-Band Berlin. (Foto: gk)
Jüdische Musik mit der Klezmer-Band Berlin. (Foto: gk)
Jüdische Musik mit der Klezmer-Band Berlin. (Foto: gk)
Jüdische Musik mit der Klezmer-Band Berlin. (Foto: gk)
Jüdische Musik mit der Klezmer-Band Berlin. (Foto: gk)

Unter dem kämpferischen Motto „Ihr kriegt uns nicht unter“, versammelten sich gut 120 Gäste zum 22. Kulturtag der Jüdischen Gemeinden Schaumburg, unter der Schirmherrschaft von Michael Fürst, Präsident des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, in der Wandelhalle Bad Nenndorf. Zu den Gästen gehörten Bürgerinnen und Bürger der Stadt, sowie Vertreterinnen und Vertreter des öffentlichen Lebens. Für den Programmhöhepunkt sorgte die „Klezmer-Band“ aus Berlin, mit einem Konzert jüdischer Musik, und sorgte für Begeisterung.

Der Kulturtag diene weiterhin vor allem der Vermittlung jüdischer Kultur und Religion, als auch dem Zusammenführen von Menschen jüdischen und nichtjüdischen Glaubens, um die Kontakte zu Menschen unterschiedlicher Konfessionen und Herkunft zu erleichtern, erklärte Marina Jalowaja in ihrer Ansprache, als Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde im Landkreis Schaumburg e.V. Lange Zeit glaubte Deutschland, „es wäre Weltmeister in der Übernahme von Verantwortung, in der Bekämpfung von Antisemitismus und im Lernen aus seiner Vergangenheit, bis es aus der Realität eingeholt wurde“, so Jalowaja. Heute sei die AfD in den meisten Parlamenten des Landes vertreten. Menschen jüdischen Glaubens, die aus der ehemaligen Sowjetunion geflohen seien, wo Antisemitismus stark gegeben war, um Sicherheit zu finden, „werden auf deutschen Straßen gejagt“. Daher frage sie sich nicht mehr, ob sie als deutscher Jude eine Aufgabe habe, „nämlich dafür zu kämpfen, dass man glücklich in der Diaspora leben kann, dafür zu kämpfen, dass der Antisemitismus nicht noch stärker wird, sondern möglicherweise schwächer; dafür zu kämpfen, dass es den jüngeren Generationen besser gehen würde, als unseren Vorfahren. Ich frage mich nicht mehr, ich weiß es: Wir leben alle in einer Gesellschaft, wir haben uns immer viel zu geben in der Spiegelung unserer Erfahrungen und halten die religiöse und kulturelle Vielfalt in diesem Land für sehr wichtig. Gerade das prägt uns, in diesem Land weiterhin leben zu wollen und jedes Mal auf Neue zu wiederholen: Ihr kriegt uns nicht unter“. Die vielen Gäste an diesem Tag, „geben den Juden große Hoffnung geben, Mut und Vertrauen, um in die Zukunft zu schauen“.

Oliver Schuegraf, Landesbischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe, trat im „Doppelpack“, wie er sagte, mit dem stellvertretenden Superintendenten Pastor Justus Conring, Kirchenkreis Grafschaft Schaumburg, auf. Das Motto des Tages sei ein wirklich kraftvolles und klares Statement, so Schuegraf. „Ein Ausdruck von Widerstand, Mut, unerschütterlichen Glauben und Entschlossenheit, die Menschlichkeit niemals aufgeben zu wollen – auch in Zeiten des Konflikts und der Bedrängnis“, angesichts der aktuellen Situation im Nahen Osten oder in der Ukraine, wo Krieg und Terror das Leben vieler Menschen zerstöre. Hierbei werde das Motto besonders wichtig. Sicherlich auch auf den Hintergrund der Radikalisierung und dem bevorstehenden Bundestagswahlkampf sowie dem erstarken rechtsextremer Stimmen in Deutschland. „Als Kirchen und jüdische Kultusgemeinden sollten wir gemeinsam ein Zeichen setzen, für die Werte die uns verbinden und für die Prinzipien die unsere Gesellschaft lebendig und menschlich machen. In dieser Weise sei auch der gemeinsame Aufruf der Katholischen und Evangelischen Kirche in Niedersachsen unter dem Motto „Für alle – mit Herz und Verstand: Menschenwürde, Nächstenliebe, Zusammenhalt kennen keine Ausnahme“ zu verstehen. Justus Conring bedankte sich in diesem Zusammenhang für die Möglichkeit der Begegnung und des Austausches, in dieser konfliktträchtigen Zeit.

Landtagsabgeordnete Colette Thiemann (CDU) sprach gleichfalls im Namen der Samtgemeinde Nenndorf zur Versammlung. Es sei eine Zeit, die sehr fordert und „in der wir nicht schweigen dürfen“, betonte sie. Ihr Herz sei bei den Menschen, die im Krieg um ihr Leben und ihre Freiheit kämpfen. „Aber wir müssen auch mit Sorge in unser eigenes Land blicken. Auf die wachsenden Bedrohungen in unseren Reihen, den Antisemitismus aus den Reihen der AfD.“ Aber auch auf den Hass, der durch den radikalen Islam geschürt wird. „Doch wir in Schaumburg sagen: Wir lassen uns nicht unterkriegen. Der jüdische Glaube und die Kultur sind stärker als jeder Hass.“ Auf diesen Hintergründen hätte auch die bevorstehende Bundestagswahl große Bedeutung.

Als stellvertretender Bürgermeister der Stadt Bad Nenndorf griff auch Dietmar Buchholz die konfliktträchtigen Ereignisse in der weiten und nahen Welt auf. Hierbei erinnerte er an den Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 und das „Aufflammen des bis heute andauernden Krieges im Nahen Osten“. Mit Fassung ringend fügte er hinzu: „Ich trauere um alle Opfer auf beiden Seiten. Insbesondere um jedes getötete Kind.“ Außerdem betonte er mit aller Deutlichkeit: „Es darf für Judenhassende in diesem Land kein Sicherheitsgefühl geben.“

Rabbiner Tobias Jona Simon kam, um Fragen des Publikums zur jüdischen Religion und Kultur zu beantworten. Auf die Frage hin, was die derzeitigen Umfrageergebnisse der AfD für ihn bedeute, antworte er: „Was das für uns als jüdische Bürger bedeutet, das kann man derzeit noch nicht sagen. Aber das konnte im Jahr 1933 auch noch niemand.“ Sein zwölfjähriger Sohn zögere inzwischen beim öffentlichen Tragen der Kippa, ohne es weiter zu erklären, aber ängstlich wirkt.

Das langjährige und anhaltende Engagement der Jüdischen Gemeinde hob Thomas Winkler vom Verein „Bad Nenndorf ist bunt e.V.“ hervor. Er bedankte sich mit Blumen und Urkunde bei den Mitgliedern, „für ihren Einsatz für geflüchtete Frauen und Kinder aus der Ukraine, beim Deutschunterricht und für die Beheimatung von Bad Nenndorf ist bunt“, in den Räumen der Jüdischen Gemeinde Bad Nenndorf.


Winfried Gburek
Winfried Gburek

Freier Redakteur Schaumburger Wochenblatt

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