Geilen Stoff haben sie hier… | Schaumburger Wochenblatt

04.10.2024 13:40

Geilen Stoff haben sie hier…

Das Hotel Kassel in der Rintelner Innenstadt. (Foto: nd)
Das Hotel Kassel in der Rintelner Innenstadt. (Foto: nd)
Das Hotel Kassel in der Rintelner Innenstadt. (Foto: nd)
Das Hotel Kassel in der Rintelner Innenstadt. (Foto: nd)
Das Hotel Kassel in der Rintelner Innenstadt. (Foto: nd)

In aller Munde auf Tour – heute im Restaurant Fachwerk in Rinteln

So könnte man die Qualität im Restaurant Fachwerk zusammenfassen. Das meint die, bescheiden als gutbürgerlich bezeichneten, Speisen und das außergewöhnliche Weinangebot gleichermaßen. Aber von vorn. An einem sehr warmen Samstag im Juli waren wir im Restaurant des Hotels Stadt Kassel, einer renovierten 62 Zimmer Herberge mitten in der wunderschönen Altstadt von Rinteln. Nahezu unbeschadet hat Rinteln die Kriege überstanden, weshalb in der Innenstadt ein Fachwerkhaus neben dem anderen zu bewundern ist. Da ist der Name des Restaurants im Hotel Haus Kassel schon Programm: Fachwerk. Eng verbunden mit dem Handwerk, so versteht man sich bei der Zubereitung der Speisen.

Der gute Eindruck beginnt schon bei der Tischreservierung, die online wirklich reibungslos funktioniert. Hier könnten sich einige Kollegen im Schaumburger Land vielleicht Anregungen holen und ihre Homepages in Hinblick auf die Reservierungsmöglichkeiten überarbeiten. Freundlich jedenfalls der Empfang, die Platzierung und der Service im Allgemeinen. Immer dezent aber gut informiert und für alle Fragen offen - und wir haben oft gefragt.

Nachdem wir ein Menü mit vier Gängen für 83 Euro und zwei weitere Gerichte bestellt haben kam der ansehnliche Brotkorb mit verschiedenen Sorten des guten „Gaues“ Brot von den Backgeschwistern aus Hannover (eine Bäckerei, die ihre Brotauswahl schon bis in den Deutschen Bundestag liefern durfte). Dazu eine Haselnussbutter und eine Maracuja-Frischkäsecreme. Im Anschluss der Gruß aus der Küche, Thunfischwürfelchen auf geeister Avocadocreme und Erdbeere. Der Thunfisch wurde etwas zu früh angemacht und hat deshalb seine schöne Farbe verloren (Eiweißgerinnung durch die Säure von Zwiebeln, Dips oder Saucen) was dem Geschmack aber nicht schadet.
Die Vorspeise war eine Interpretation von Vitello tonnato. Man kennt die gegarten, fein geschnittenen Kalbfleischscheiben mit einer Thunfischsauce und Gewürzen je nach Gusto des Chefs. Hier hat man das mal umgekehrt und kleine Thunfischfilets, auf denen Tropfen einer Kalbscreme drapiert sind, mit geeister Sojacreme und Dashi kombiniert. Raffiniert waren die kleinen Rhabarberkügelchen die dem Ganzen eine feine, spritzige Note geben.
Das Rintelner Krüstchen für 23 Euro vom Duroc Schwein mit Spiegelei, Pommes und Salat, wobei wir die Pommes natürlich gegen Röstkartoffeln getauscht haben, war genauso auf den Punkt wie das Filet vom Weideochsen mit Selleriepüree und interessant confierten Schalotten.
Die leckere Pfifferlingsuppe für 12 Euro wurde als optisches Schmankerl am Tisch aufgegossen und schmeckte wonach sie schmecken sollte. Ebenso der Felsenoktopus, schonend gegrillt und mit einem Hauch Tomatencreme bestrichen, nebst Wachtelei, eingelegten Aprikosespelten und Frischkäse. Alles sehr gut und preislich natürlich im oberen Segment, was den Speisen aber gerecht wird. Warum eine Flasche Selters mit acht Euro zu Buche schlägt bleibt unklar, Mischkalkulation hin oder her.
Daniel Klein (32) ist seit zwei Jahren der verantwortliche Küchenchef und erklärte uns stolz den handwerklichen Anspruch, den er mit seinem fünfköpfigen Küchenteam jeden Tag aufs Neue erfüllen möchte. Bewiesen haben sie es uns dann wieder beim Dessert, einer Valrhôna „Equatoriale 55 %“ Schokolade mit Kirschsorbet und aufgeschlagener Ganache, eine Sahnecreme aus Rahm und Kuvertüre und alles toll garniert.
Weil uns das Restaurant zu voll und zu warm erschien, saßen wir gern auf der Terrasse und haben Kerstin Krüger, die Inhaberin des Hauses und heute die freundliche Gastgeberin an der Rezeption kurz zu uns an den Tisch gebeten. Nach viel Lob und Anerkennung haben wir sie auch gefragt, warum hier draußen die Bestecke in Papiertüten mit Billigservietten stecken. Da sei ein guter Punkt, auch die Frage ob die Gäste vielleicht schöne Tischsets angenehmer und angemessener finden würden als die unvermeidlichen Rillen zwischen den Brettern der Tischplatte in denen die zusätzlichen Besteckteile wackeln.
Das Geschäftsführerpaar Julia und Moritz Brand waren leider nicht im Haus, denn gern hätten wir sie über die spektakuläre und mehrfach ausgezeichnete Weinkarte befragt. Das sehr Deutsch-Riesling-lastige Sortiment geht weniger in die Breite, als intensiv in die Tiefe. Von großen Weinhäusern werden die gleichen Weine verschiedener Jahrgänge angeboten die teilweise weit mehr als zehn Jahre zurückgehen bis hin zu Versteigerungsware, die man, wie der Name schon ahnen lässt, auch im Fachhandel gar nicht mehr bekommt. Für uns wurde es dann ein Pfälzer Sauvignon Blanc Fumé aus der Pfalz für faire 42 Euro. Bei mehreren Hundert Positionen ist man aber echt gefordert z.B. einen Italienischen Weißwein zu finden. Gerade einmal 11 Stück davon sind im Angebot. Trotzdem werden Kenner hellauf begeistert sein. Es werden separate Weintastings mit hochklassigen Weinen zwischen 170 Euro und 750 Euro p.P. angeboten. Einen Vorgeschmack darauf bieten sie in der Speisekarte als „vertikal drinking“ an, bei dem man zu seinem Essen drei ausgesuchte Flaschen eines Winzers aber aus verschiedenen Jahrgänge für 150 Euro bestellen kann.

Hotelrestaurants haben es in Deutschland traditionell sehr schwer und gerade deshalb freuen wir uns, dass man es hier zu einem der besten Restaurants in der Region gebracht hat und seit langem hält, was man verspricht. Nicht günstig aber in jeder Hinsicht einen Besuch wert.

. (Foto: Christian Kutschera)
. (Foto: Christian Kutschera)
. (Foto: Christian Kutschera)

Von Christian Kutschera
north