Doch nutzen wir die knuddeligen Wuschelköpfe mittlerweile aus? Tierschützer und Züchter stehen sich in der Beantwortung dieser Frage unversöhnlich gegenüber.
Das exotische Alpaka liegt voll im Trend und hat mittlerweile das Einhorn vom großen „Hype-Thron“ gestoßen. Die Suchmaschinen sind voll mit Angeboten wie „Wandern mit Alpakas“, „Meditieren mit Alpakas“ oder „Yoga mit Alpakas“. In diversen Online-Shops gibt es tausende Artikel mit Alpaka-Aufdruck zu kaufen und im Internet kursieren zigtausende Bilder mit lustigen Alpaka-Frisuren. Der neueste Trend ist es, Alpakas als vierbeinige Hochzeitsgäste einzuladen. Die Werbung dafür verspricht, dass sich die freundlichen Paarhufer unter die Gäste mischen und für eine fröhliche und entspannte Atmosphäre sorgen.
Zugegeben, kommt ein Alpaka angezockelt, dreht seinen wolligen Kopf neugierig in die Runde und guckt einen mit seinen freundlichen Augen an, löst das ein Gefühl der Entzückung aus. Denn Alpakas entsprechen mit ihrem Aussehen unserem genetisch programmierten Kindchenschema und lösen daher positive Gefühle aus. Mittlerweile leben in Deutschland geschätzte 20 bis 25.000 der knuddeligen Tiere auf Höfen und Tierparks. Doch ist der Hype um sie Tierquälerei oder stecken die langbeinigen Schönheiten den Trubel einfach cool und wiederkäuend weg?
Das Alpaka gilt als landwirtschaftliches Nutztier
Lamas und Alpakas gelten in Deutschland seit 1996 als landwirtschaftliche Nutztiere und unterliegen damit der Nutztierhaltungsverordnung. Einem Gutachten nach müssen „für Neuweltkamele mindestens 300 Quadratmeter für bis zu sechs erwachsene Tiere bereitstehen. Für jedes weitere erwachsene Tier mindestens 25 Quadratmeter. Sie brauchen ständigen Zugang zum Außengehege und können ganzjährig draußen gehalten werden, sofern ein Unterstand oder Stall zur Verfügung steht, in dem alle Tiere Platz haben.“ Zudem sind Alpakas absolute Herdentiere. Eine Herde muss aus mindestens drei Tieren bestehen.
Doch eigentlich gehören Alpakas nicht nach Deutschland. Ursprünglich liegt ihre Heimat im Westen Südamerikas, im Gras- und Buschland der Hochanden. Circa drei Millionen Tiere leben vorwiegend im südlichen Peru, dem westlichen Bolivien und in Chile. Die langbeinigen Schönheiten gehören – wie auch das Lama – zur Familie der Kamele. Im Unterschied zu Trampeltieren und Dromedaren, die vor allem in Asien und Afrika leben, sind die „Kamele der neuen Welt“ jedoch höckerlos und kleiner.
Während das Lama größtenteils Lasten durch das südamerikanische Hochland tragen soll, dient das Alpaka traditionell als Woll-Lieferant. Alpaka-Wolle ist aufgrund der hohen Faserqualität auch heute noch sehr begehrt. Sie schützt vor Hitze, wärmt bei Kälte, isoliert gut, kann viel Feuchtigkeit aufnehmen und ist auch für Allergiker geeignet. In den 1970er Jahren wurden die ersten Tiere daher, zwecks Aufbau einer Wollindustrie, nach Großbritannien importiert und dort außerhalb von zoologischen Gärten gehalten.
Zeitgleich entwickelte sich in den USA ein Kult. Große Augen, dichte Wimpern, flauschiges Fell – viele US-Amerikaner wollten plötzlich solch ein knuddeliges Haustier besitzen. „Diese Welle ist dann in den 1980er und 1990er auch nach Deutschland geschwappt“ berichtet Matthias Gauly, Professor für Nutztierwissenschaften an der Universität Bozen. Er gilt als Pionier der Lama- und Alpaka-Haltung in Deutschland.
Alpaka in Deutschland
Alpakas sind klimatisch sehr anpassungsfähige Tiere, denn in ihrer Heimat sind Temperaturunterschiede von bis zu 40 Grad Celsius innerhalb eines Tages keine Seltenheit. Im Sommer werden sie frisch geschoren. Das ist nötig und wird auch von den indigenen Völkern so gehandhabt.
Denn nur mit Kurzhaarschnitt können die knuffigen Paarhufer den Sommer genießen und überhitzen nicht. Im Winter dagegen schützt sie ihr Fell vor der Kälte. Gauly bestätigt: „Durch den Naturraum, in dem sie sich entwickelt haben, sind die Tiere an variable Klima- und Futterbedingungen angepasst.“ Lediglich eine Klimasituation sei für die vierbeinigen Lockenköpfe problematisch: die Kombination aus Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit, wie sie beispielsweise in den Südstaaten der USA oder in Teilen Australiens herrscht.
Warum müssen Alpakas geschoren werden?
Die Schur sei allerdings nur nötig, weil die Tiere (ähnlich wie Schafe) so vom Menschen gezüchtet wurden, klärt die Tierrechtsorganisation „Peta“ auf. So vermuten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass Alpakas vom Vikunja abstammen, einer wild lebenden Kamelart. Vikunjas haben wie die meisten Wildtiere bis heute einen natürlichen Fellwechsel. Deshalb müssen sie nicht geschoren werden.
Alpakas hingegen schon, denn sie wurden domestiziert und der Fellwechsel wurde ihnen abgezüchtet. Dieser ist für sie allerdings überlebenswichtig, denn sonst kann es neben der Überhitzung auch zu Parasitenbefall in der dicken Wolle kommen. So wurden die Alpakas vom Menschen abhängig gemacht und die Schur ihnen aufgezwängt. Doch die Schur bedeutet für die Fluchttiere immensen Stress.
Oft geht sie ruppig vonstatten, weil es schnell gehen muss. Die Alpakas werden dabei nicht selten verletzt und tragen Schnittwunden davon, die in großen Betrieben oder auch auf weiter Flur von kleinen, ärmlichen Familienbetrieben nicht richtig versorgt würden. Zudem veröffentlichte „Peta“ Aufnahmen von Arbeitern, die einem vor Angst zappelnden Alpaka auf den Hals treten, um es zu fixieren. Mehr zum Thema Wolle gibt es bei uns im Magazin demnächst.
Alpakas sind keine Schmusetiere
Trotz ihres niedlichen Aussehens sind die knuddeligen Wollköpfe keine Schmusetiere. Ihr Image als knuffige Streichel- und Wandertiere passt nicht zu ihrem natürlichen Verhalten. Nicht nur Lamas sonders auch Alpakas spucken, wenn sie sich bedroht fühlen.
Der Alpaka-Experte Gauly erklärt: „Es braucht etwas Mut und ein couragiertes Verhalten, um mit den Tieren umzugehen. Das sind Distanztiere. Sie wollen nicht den ganzen Tag befummelt werden.“ Beobachtet man Tiere, die sich auf der Weide frei bewegen können, wird man daher feststellen, dass sie freiwillig einen gewissen Abstand zueinander halten.
Gauly kennt neben dem Lama kein Tier, das so schnell an ein Halfter zu gewöhnen ist. Freizeitaktivitäten, wie zum Beispiel Wanderungen, mit Alpakas findet Gauly grundsätzlich in Ordnung. Es ist aber sehr wichtig, dass dabei dem Tier nicht zu sehr auf die Pelle gerückt wird.
Wenn das Alpaka nicht gestreichelt oder angefasst werden will, muss dies akzeptiert werden. Der süße Wuschelkopf darf zu nichts gezwungen werden, ist aber meistens von Natur aus so neugierig, dass er von sich aus den Kontakt zum Menschen sucht. Wohl auch, weil er Leckerlis bei dem Zweibeiner vermutet. Also immer abwarten, bis der süße Vierbeiner von sich aus angezockelt kommt.
Die „Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz“ erklärt in ihrem Merkblatt zu Neuweltkameliden alles rund um die knuddeligen Alpakas und liefert eine bebilderte Interpretationshilfe zum Verhalten der langbeinigen Schönheiten. Des Weiteren erklärt die Tierärztliche Vereinigung: „Bei der Kontaktaufnahmen und beim Führen mittels Halfter und Führleine kann die individuelle Reaktion der Alpakas auf den Menschen erlebt werden. (…) Als Reittiere oder reine Streicheltiere sind sie nicht geeignet.“
Tierschutzorganisationen lehnen Wanderungen mit Alpakas ab
Mittlerweile ist zwischen Tierschutzorganisationen auf der einen Seite und Züchtern, Haltern und Vereinen auf der anderen Seite, ein heftiger Streit darüber entbrannt, ob die Haltung von Alpakas in Deutschland und Wanderungen mit ihnen Tierquälerei sind oder nicht.
Die Tierschützer führen hauptsächlich an, dass Alpakas keine menschliche Nähe mögen und nicht gerne wandern, da sie unter anderem die gewohnten steinigen Böden hier nicht vorfinden. Außerdem leiden sie unter der Hitze in Deutschland. Es wird von Tierschützern sogar als Qualzucht bezeichnet.
Züchter und Vereine halten dagegen und versuchen, in ihrer Argumentation jeden dieser Vorwürfe zu widerlegen. Sie sagen, dass Alpakas von klein auf an den Kontakt mit Menschen gewöhnt seien und es einer Frage des Charakters sei, ob sie angefasst werden möchten oder nicht.
Auch erinnern die Befürworter daran, dass das Gras in den Anden sehr karg sei und Alpakas daher gezwungen seien, mehrere Kilometer am Tag zu wandern, um satt zu werden. Gegen die Hitze in Deutschland würden schattige Plätzchen oder kühlende Bäche schützen.
Auch in ihren Heimatländern gebe es nicht ausschließlich steinige Böden, sondern auch nasse und matschige Moosfelder. Die Schur eines Alpakas dauere 15 Minuten und werde behutsam von erfahrenen Scherern durchgeführt. Schließlich sei das Alpaka – ähnlich wie das Schaf – ein Zuchttier und daher keine Qualzucht.
Doch „Peta“ hält dagegen: Nach der Schur würden die Alpakas plötzlich stark frieren. Tritt eine plötzliche Kältewelle ein, könnten ganze Herden erfrieren, denn die Schur verändere die Eigenschaften der Alpakawolle, was zu einem Verlust an Wärmeleitfähigkeit führen könne. Die Alpakas, die in kalten Regionen wie den Anden gehalten werden, haben somit ein besonders hohes Risiko, nach der Schur zu erfrieren oder unter der Kälte zu leiden. All das ließe sich laut „Peta“ ganz einfach vermeiden: Indem die Alpakas zurück zu einem natürlichen Fellwechsel gezüchtet werden. Foto: deinetierwelt