Mein Lieblingslied von der Sängerin Nena. Glauben wir an Wunder? Nun, wir alle haben schon eins gesehen – jedenfalls die Älteren unter uns. Damals, beim Mauerfall, ist tatsächlich ein Wunder Wirklichkeit geworden. Wer hätte das vorher geglaubt? Es gibt sie immer noch, die Wunder. Davon bin ich überzeugt. Aber sie geschehen nicht einfach so. Es sind – wie beim Fall der Mauer – Menschen nötig, die sich friedlich dafür einsetzen. Niemand stürzt, kein Mensch. Aber die Mauer. Sie stürzt durch Menschen mit Mut. Und durch Kerzen und Gebete. Mit allem, aber damit haben sie eben nicht gerechnet, die Mächtigen. Mit diesem Widerstand durch Kerzen in Fäusten, die nicht schlagen sondern schützen! Licht gegen die Finsternis totalitärer Gewalt. In den Kirchen beginnt`s, was sich auf den Straßen fortsetzt. Denn die Kirchen sind Schutzräume. Hier wird offen geredet, hier bekommen Angst, Sehnsucht und Beklommenheit einen Namen. Für mich ist es ein Wunder. Unfassbar wie jedes Wunder. Denn bei allem Respekt vor religiöser Distanz: Jeder Mensch war doch im Innersten berührt und hat gefühlt, dass hier eine Macht am Wirken war, die das Menschliche sprengt.
Doch was tun, wenn der Frieden brutal zerstört wird von den Kräften des Hasses, so wie jetzt gerade? Ich saß, wie vermutlich viele andere, fassungslos vor dem Fernseher und habe die schrecklichen Bilder gesehen – von Terroristen, die grölend und jubelnd jüdische Männer, alte Frauen und kleine Kinder gejagt, getötet und die Toten zur Schau gestellt haben. Ich sehe die Bilder in den Nachrichten: Kriegshandlungen in der Ukraine; den Terrorüberfall der Hamas im Gazastreifen; Bilder aus Mali und vielen anderen Orten der Welt, an denen Menschen unterdrückt, misshandelt, getötet werden. Und fassungslos höre ich die Worte eines jungen Iraners: Ich freue mich, dass ich endlich in den Krieg gegen Israel ziehen kann – und im Vordergrund jubeln Kinder.
Ganz gleich, wie wir zum Nahostkonflikt mit all seinen Kriegen und verpassten Chancen auf Frieden stehen: Hier ist eine zivilisatorische Grenze überschritten. Es kann in solchen Momenten nur eine Reaktion geben: Die Solidarität mit den Opfern, mit den Angegriffenen. Und den Protest gegen das Töten und Morden, die klare Benennung der Schuldigen. Zugleich braucht es alle Kräfte, um der Gewalt zu wehren und sie zu begrenzen. Denn diese Kriegs- und Krisenzeiten machen etwas mit uns. Die Töne werden immer schärfer in den so genannten „sozialen“ Medien, in denen Enthemmte gnadenlos unsere Demokratie anzählen. Hass, der von Rechtsextremen gesät wird. Sturm, den wir ernten und der uns allen womöglich noch mächtiger ins Gesicht bläst als jetzt schon überall. Wenn wir uns nicht stets vor Augen halten, dass es eine andere Mehrheit gibt! Es ist die Mehrheit in diesem Land, die etwas weiß von Nächstenliebe und Solidarität. Von Gerechtigkeitsgefühl und Herzenswärme. Die unsere Demokratie schätzt und schützen will. Wäre sie bloß lauter, diese Mehrheit. Sichtbarer!
Schritte Richtung Frieden – wie soll das gehen? Wie kann jede und jeder von uns – so weit von den Kriegsorten entfernt – etwas zum Frieden beitragen? Die Lage scheint hoffnungslos. Alle Zeichen stehen auf Krieg und Konflikt – und wie wir da alle möglichst heile raus kommen. Aufrüstung statt Friedensbemühung. Es fällt mir sehr schwer, friedliche politische Alternativen angesichts des unendlichen Leids der Zivilbevölkerung zu benennen. Doch wir sind nicht vollkommen hilflos. Wir haben es in der Hand, wessen Botinnen und Boten wir sind. Unterstützen wir Hassrede, Fake News und Gewalt? Oder setzen wir kleine oder große Zeichen für Annäherung, Deeskalation und Versöhnung? In der Wortlosigkeit und Sprachlosigkeit habe ich gespürt, wie wichtig es ist, dass ich darauf aufpasse, was ich denke und fühle. Vielleicht ist ein erster Schritt Richtung Frieden, achtsam und besonnen auf den Nächsten zu zugehen. Die Solidarität. Der Zusammenhalt. Grenzen übergreifendes Mitgefühl.
Ich möchte den Frieden nicht aufgeben. Denn „aufgegeben wird nur ein Brief“!